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Pro & Contra Genossenschafts-NeubauEine Extrawurst bauen?

Uwe Rada
Erik Peter
Kommentar von Uwe Rada und Erik Peter

Genossenschaften möchten mehr bauen. Sie wollen eine Förderung vom Senat, aber sich nicht auf Mietpreise von 6,50 Euro festlegen lassen. Ist das gerechtfertigt?

Beim Wohnungsbau geht's um die Wurst Foto: dpa

Ja

W as das Verbrennen von Geld betrifft, ist Berlin weiß Gott leidgeprüft. Nicht nur wegen des Milliardengrabs am BER, sondern auch wegen des sozialen Wohnungsbaus der Vergangenheit. Das Geld kam nicht dort an, wo es sollte, und hat Löcher in den Haushalt gerissen, die bis heute spürbar sind. Es ist deshalb richtig, bei einer Neuauflage einer sozialen Wohnungsbauförderung darauf zu achten, dass die eingesetzten Mittel auch die erwünschten Effekte erzielen – und zudem nachhaltig sind.

Gehören da die Wohnungsgenossenschaften dazu, die sich bereit erklären, beim Neubau von Wohnungen mitzumischen? Natürlich, sagt der Senat, solange sie sich an die Regeln halten. Die besagen, dass ein Drittel der Wohnungen zu 6,50 Euro pro Quadratmeter angeboten werden können. So sollen private Investoren gezwungen werden, wenigstens ein Mindestmaß an bezahlbaren Wohnungen anzubieten.

Was für große Bauträger richtig ist, muss für Genossenschaften nicht unbedingt gelten. Anders als die Mehrheit privater Investoren, die nur darauf wartet, die Sozialwohnungen nach Ablauf der Bindung meistbietend verscherbeln zu können, verweisen sie darauf, alle Wohnungen dauerhaft im Bestand zu behalten. So sind sie, auch wenn die Einstiegsmieten hoch sind, auf Dauer eine Spekulationsbremse.

Genossenschaften beim Bau neuer Wohnungen zu fördern, auch wenn es keine schnellen Effekte gibt, ist also keine Geldverbrennung, sondern eine Investition in die Zukunft. Das schließt aber nicht aus, die privaten Neubauinvestoren, wie zum Beispiel in Wien, noch stärker an die Leine zu nehmen als bisher. Uwe Rada

Nein

Wohnungen dem Markt zu entziehen ist richtig und wichtig. Dazu gehört aber auch, sie ab dem ersten Tag den Marktpreisen zu entziehen. Geschieht das nicht, verkommt das Konzept zur hohlen Phrase. Die Forderung, Genossenschaften von der für alle großen Bauvorhaben verbindlichen Sozialquote – 30 Prozent aller neu errichteten Wohnungen für 6,50 Euro pro Quadratmeter – auszunehmen, ist daher grotesk. Berlin braucht sofort günstigen Wohnraum, keine exklusiven Wohlfühloasen für das liberale, aber unsoziale Neu-Bürgertum.

Dass ausgerechnet ein SPD-Baupolitiker die Sozialquote aufweichen will, passt zur verheerenden Politik der Partei in diesem Feld. Die Strategie gegen die unbezahlbare Stadt darf keinesfalls in weiteren Kompromissen bestehen. Jede weitere Wohnung für zehn oder zwölf Euro geht vorbei am eigentlichen Bedarf.

Nötig ist es, den Sektor der günstigen Wohnungen auszubauen. Geht nicht? Geht doch. Vergangene Woche hat Wien seine neue Bauordnung beschlossen: Zwei Drittel der Neubauwohnungen dürfen maximal fünf Euro kosten. Klaus Mindrup sollte seine Genossen mal fragen, wie sie das machen.

Die Förderung genossenschaftlichen Wohnungsbaus ist richtig, gelten muss aber: Eine Genossenschaft ist sozial oder sie ist überflüssig. Teure Genossenschaftswohnungen damit zu rechtfertigen, dass sie stabil bleiben, während Wohnungen auf dem freien Markt immer teurer werden, reicht nicht aus. Genossenschaften existieren auf Dauer. Sie müssen sich nicht drängen lassen, ihre Neubaukosten möglichst rasch zu refinanzieren. Dann klappt es auch mit bezahlbaren Mieten. Erik Peter

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Uwe Rada
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.
Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
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3 Kommentare

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  • 1962 wurde in der Bundesrepublik mit Einführung des Wohngeldes als Rechtsanspruch auf ein Marktregulativ durch staatliche Ausgleichszahlung, die Entkoppekung der §Entwicklung von Mieten und Lohn zur Kenntnis genommen, ohne dieser Entkoppelung wirklich entgegen zu wirken.

    Seit Abschaffung der Gemeinnützigkeit von Wohnungsbaugenossenschaften 1992, gesetzlichem Einräumen der Option für Genossenschaften, Mieterträge zu erwirtschaften, bei zulässigen Mieterhöhungen bis zu 20 % binnen 3 Jahren, die den Mietspiegel nach oben drücken, angesichts des hinzukommendes Bestandes an Millionen Wohnungen der Volkssolidarität in neuen Bundesländern nach der deutschen Einheit 1990, sind diese Genossenschaften nicht mehr wirklich Teil der Lösung, sondern des Problems. Warum?, weil hochkapitalisierte Genossenschaften, die 4 % Dividende ausschütten, Erträge aus dem Mietaufkommen in in Stiftungen zu anderem gemeinnützig bestimmten Zweck als einbringen dürfen, neben unterfinanzierte Wohnungsbaugenossenschaften vom Gesetzgeber unterschiedslos behandelt werden.

    Neben sich selbst verstärkender Entkoppelung von Miet- , Lohn- ;Rentenentwicklung schlägt in Zeiten billigen Geldes, einhergehend mit aufgeblähtem Kreditvolumina durch Niedrigzins, spekulativ hochgetriebenen Boden- , Immobilienpreisen, in Abstimmung mit der Politikentwicklung, zu verantworten haben, das Ausbleiben der Entkoppelung von Kredit- und Sparzins auf den Wohnungsmarkt zu Lasten der Privathaushalte als Mieter durch.

    - Der Wohnungsmarkt ist, angesichts Kapitalzufluss aus Krisen- , Kriegsgebieten vermögensnaher Schichten Teil des deutschen Steuerparadieses, der Geldwäsche zu Lasten Privathaushalten, Unternehmen als Mieter geworden, das sich in Deutschland abbildet. -

    Hinzukommt, dass der Mietspiegel nicht die Wirkkräfte am Wohungsmarkt abbildet, z. B. steuerlich geförderter Haus- , Wohnungsleerstand bei 0 Mieteinnahme, neben evaluierter Anzahl Wohnungsloser im Land, im Mietspiegel nicht eingepreist sind.

  • Für Genossenschaften muss es andere, aber nicht schlechtere Regeln geben.

    Privatvermieter denken kurzfristig. Sie nehmen für die Förderung kurzfristig niedrigere Profite in Kauf, um nach Ende des Bindungszeitraums höchstmöglichen Profit und alles das herauszuholen, was während der Förderungsbindung nicht möglich war. Nach Ende des Bindungszeitraums sind die Mieter also schutzlos dem Markt und dem Profitstreben der Vermieter ausgesetzt (Umwandlung in Eigentumswohnung, Luxusmodernisierung, Eigenbedarfskündigung, Instandhaltungsverweigerung). Kein Privatinvestor investiert ohne Gewinnerzielungsabsicht!

    Genossenschaften denken langfristig. Sie nehmen nur Kostenmiete. Wegen Zins und Tilgung ist diese am Anfang aber vielleicht etwas höher. Dafür steigt sie langfristig kaum und ist im Vergleich zu Privatvermietern nach 10...20 Jahren sehr günstig. Auf immer und ewig bleibt dies günstiger Wohnraum. Das ist ein sehr hoher Gewinn für die Gesellschaft, der mit angepassten Förderprogrammen unterstützt werden muss!

  • Genossenschaften nehmen üblicherweise bei 100% der neu gebauten Wohnungen niedrigere als Marktmieten.



    Privaten Wohnungsgesellschaften wprd übriens nicht nur bei geförderten Wohnungen ein Anteil billier Wohnungen abgenötigt, sondern generell, wenn diese (mindetsens in nicht so ganz eindeutigen Fallen) eine Baugenehmigung auf dem eigenen Land erwirken möchten.