Pride-Parade in Sarajevo: Zwischen Schutz und Einschüchterung
In Bosnien hat die LGBTQ-Gemeinde für ihre Rechte demonstriert. Doch religiös-konservative Kreise setzten die Pride-Parade unter Druck.
Der Platz vor der Oper, wo die Abschlusskundgebung stattfand, war dann aber hermetisch abgeriegelt. Zutritt hatte nur, wer von den Veranstaltern ein Bändchen erhalten hatte. Selbst internationalen Journalisten war der Zutritt verwehrt; auch der Hinweis auf die Pressefreiheit fruchtete nicht. Die Polizisten befolgten Anweisung „von ganz oben“, wie sie sagten.
Schon im Vorfeld der Pride hatte sich Sarajevos Bürgermeisterin, die Sozialdemokratin Benjamina Karić, geweigert, das Rathaus mit den Regenbogenfarben beleuchten zu lassen. Dagegen protestierten die Veranstalter, denn oft wird das Rathaus zu weit unwichtigeren Anlässen beleuchtet. Doch die konservativ-religiösen Teile der Bevölkerung stießen sich an der Veranstaltung und hatten Druck gemacht.
Sie ärgerten sich auch, dass der Titoboulevard gesperrt werden sollte. So hatte Sebija Izetbegović aus dem Lager der muslimisch-bosniakischen Nationalpartei SDA schon Tage zuvor gefordert, dass sich die Demonstranten im Stadion versammeln, statt ein Verkehrschaos anzurichten. Andere forderten die gläubigen Katholiken, Orthodoxen und Muslime des Landes sogar auf, gewaltsam gegen die „Verderber unserer Jugend“ vorzugehen. Dies fand jedoch kein Gehör. Waren vor einigen Jahren noch Schlägertrupps militanter Salafisten gegen Demonstranten vorgegangen, so zeigten sich jetzt die durch die Altstadt flanierenden Touristen neugierig und erstaunt über die Polizeipräsenz.
Spontanität verhindert
Dass Bürgermeisterin Karić vor der Rechten eingeknickt war und es nicht wagte, offen für die Rechte der LGBTQ-Gemeinde einzutreten, kritisierte die Filmemacherin Jasmila Zbanic auf Twitter. Jasna B., eine 25-Jährige, die vorzeitig die abgesperrte Veranstaltung verließ, zeigte sich mit Blick auf die Polizisten sehr enttäuscht von den Politikern der in der Stadt regierenden SDP (Sozialdemokraten) und der linksliberalen Nasa Stranka(Unsere Partei). „So hat man verhindert, dass sich Leute spontan der Versammlung anschließen.“ Doch immerhin kam der prominente Politiker und Minister für Kommunikation und Verkehr Edin Forto von der Nasa Stranka.
Am Ende überstieg die Zahl der Sympathisanten der LGBTQ-Gemeinde die Anzahl der wirklich Community-Mitglieder, von denen viele aus Vorsicht nicht zur Veranstaltung kamen. Dafür kamen Diplomaten wie der Chef der EU-Mission, Johann Sattler, oder die Chefin des Goethe-Instituts in Sarajevo, Simone Voigt. Sie bemühten sich, beim Hinausgehen am Handy schnell die neusten Nachrichten aus Russland zu empfangen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland