Pressekonferenz von Angela Merkel: „Wir schaffen das“ nach wie vor
Nach den jüngsten Gewalttaten hat die Kanzlerin einen Neun-Punkte-Plan für mehr Sicherheit vorgestellt. An ihrem Kurs in der Flüchtlingspolitik hält sie fest.
Berlin afp/dpa | Nach der Serie von Gewalttaten in Deutschland hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verstärkte Sicherheitsvorkehrungen angekündigt. Es werde Übungen geben für „terroristische Großlagen“, in die die Bundeswehr eingebunden werde, kündigte Merkel am Donnerstag in Berlin an. Dies könne unter Führung der Polizei auf der Basis des Grundgesetzes geschehen. „Wir haben es mit einer großen Bewährungsprobe zu tun“, sagte sie.
Zu den mutmaßlich islamistischen Anschlägen von Würzburg und Ansbach sowie in Frankreich und anderen Ländern sagte Merkel, damit würden „zivilisatorische Tabus gebrochen“. Die Taten würden an Orten verübt, „an denen jeder von uns sein könnte“. Es werde alles getan, „um diese barbarischen Taten aufzuklären und die Hintermänner aufzuspüren“.
Als Reaktion präsentierte Merkel einen Neun-Punkte-Plan für mehr Sicherheit. Dazu zählten eine Senkung der Hürden für die Abschiebung von Asylbewerbern und Vorbereitungen für Bundeswehreinsätze im Inneren bei großen Terroranschlägen. Sie betonte, dass „immer dort wo es Lücken gibt, wir auch handeln müssen“.
Sie kündigte ein besseres Frühwarnsystem für Bedrohungen neben dem organisierten Terrorismus an und forderte auch eine zügige Verabschiedung der lange geplanten europäischen Richtlinie zum Waffenrecht. Damit solle der Waffenhandel über das Internet unterbunden werden, sagte sie. Der Amokläufer von München hatte sich seine Waffe im Darknet, einem schwer zugänglichen Teil des Internets, besorgt. Merkel sprach sich zudem für einen besseren internationalen Informationsaustausch und eine bessere Kooperation der Geheimdienste aus.
Anschläge verhöhnen Deutschland
Die Kanzlerin sagte, die Anschläge in Würzburg und Ansbach von zwei Flüchtlingen kamen, „verhöhnt das Land, das sie aufgenommen hat“. Es verhöhne die Helfer und Ehrenamtlichen und auch „die vielen anderen Flüchtlinge, die Hilfe vor Krieg und Gewalt bei uns suchen“.
Zugleich bekräftigte Merkel, an dem bisherigen Kurs in der Flüchtlingspolitik festzuhalten. Die Kanzlerin griff ihre Formel „Wir schaffen das“ aus dem vergangenen Jahr wieder auf: „Ich bin heute wie damals davon überzeugt, dass wir es schaffen, unserer historischen Aufgabe – und dies ist eine historische Bewährungsaufgabe in Zeiten der Globalisierung – gerecht zu werden. Wir schaffen das.“
Sie habe vor elf Monaten gesagt, dass es keine einfache Sache werde, „die wir nebenbei erledigen können“. Sie stehe aber zu den Grundentscheidungen, „die wir getroffen haben“, sagte sie. Merkel bekräftigte ihre Aussage vom vergangenen Jahr: „Wir schaffen das, und wir haben in den letzten elf Monaten viel geschafft.“ Sie zeigte sich zuversichtlich, dass auch die neue Herausforderung des islamistischen Terrors bewältigt werde.
Bei ihrer traditionellen Jahrespressekonferenz am 31. August vorigen Jahres hatte Merkel zur Bewältigung der Flüchtlingskrise gesagt: „Wir schaffen das, und wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden.“ Weil vielen nicht klar war, wie das gelingen soll, geriet die Kanzlerin zunehmend unter Druck – und die Union in einen Abwärtstrend in der Wählergunst. Seit den jüngsten Anschlägen in Bayern ist die Verunsicherung in der Bevölkerung noch gestiegen.
Vorsichtige Kritik an der Türkei
Mit Blick auf den gescheiterten Militärputsch in der Türkei hat Merkel die türkische Führung mit Nachdruck aufgefordert, bei der Verfolgung mutmaßlicher Putschisten die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit zu wahren. Es sei selbstverständlich, in einer solchen Situation wie in der Türkei „mit allen Mitteln des Rechtsstaats“ gegen die Putschisten vorzugehen, sagte Merkel am Donnerstag in Berlin. Und in einem Rechtsstaat müsse immer unbedingt das „Prinzip der Verhältnismäßigkeit“ gewahrt werden.
Merkel äußerte die Sorge, dass in der Türkei nach dem gescheiterten Putsch „doch sehr hart vorgegangen wird“ und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht immer beachtet werde. Für Deutschland sei es angesichts der drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln „sehr wichtig“, dass die Verhältnismäßigkeit in der Türkei gewahrt bleibe.
Erneute Kanzlerkandidatur offen
Eine erneute Kandidatur bei der Bundestagswahl 2017 lässt die Kanzlerin weiter offen. Die CDU-Chefin bekräftigte am Donnerstag vor der Bundespressekonferenz in Berlin, sie werde sich dazu „zum geeigneten Zeitpunkt“ äußern. „Heute ist dieser Zeitpunkt nicht.“ Merkel ist seit 2005 im Amt. Die 62-Jährige regiert derzeit zum zweiten Mal in einer schwarz-roten Koalition mit der SPD.
Die Kanzlerin hatte für die Pressekonferenz ihren Urlaub unterbrochen. Ursprünglich hätte die Pressekonferenz erst nach den Sommerferien stattfinden sollen. Nach den jüngsten Gewalttaten entschloss sich Merkel jedoch, dafür ihren Urlaub zu unterbrechen. Die Kanzlerin wollte in der Bundespressekonferenz (BPK) 90 Minuten lang Fragen der Hauptstadtjournalisten beantworten. Es ist ihre traditionelle und größte Pressekonferenz im Jahr.
Am Sonntagabend hatte sich ein syrischer Flüchtling in Ansbach in die Luft gesprengt und 15 Menschen verletzt. Wenige Tage zuvor hatte ein vermutlich aus Afghanistan stammender Flüchtling bei Würzburg in einem Regionalzug und auf der Flucht mit einer Axt fünf Menschen schwer verletzt. In beiden Fällen gehen die Ermittler von einem islamistischen Hintergrund aus.
Leser*innenkommentare
Querdenker
"Frau Doktor Merkel, wann komme ich aus dem Krankenhaus heraus?"
"In acht Tagen, wir schaffen das, so oder so!"
Andreas Hergefeld
Die kriegt das echt noch hin, das wir irgendwann alle "Hei* Petri" sagen müssen :(
Ich seh mich selbst als politisch eher Links an. ABER es muss realistisches "Links" sein.
In dieser Situation in der wir stecken, verhindert nur ein radikaler Kurswechsel einen weiteren Rechsrutsch. Sonst wählen die Deutschen leider irgendwann jemanden, den die eigentlich garnicht wollen.
Und das glaube ich wirklich. Typische Deutsche machen wenn sie davon überzeugt sind das das nötig ist, Dinge die ihnen nicht gefallen. Die sind dann bereit, die schmerzlichen Konsequenzen in Kauf zu nehmen, wenn sie das Gefühl haben, das es das Vernünftigste wäre.
Machen wir mit der Willkommenspolitik so weiter -wählen immer mehr Leute rechts. Irgendwann werden es dann leider zu viele sein....
Wenn die Politik Eliten jetzt nicht langsam mal feinfühliger für´s rumoren im Volk werden, fliegt uns die Willkommenskultur um die Ohren.
Ne rechte Regierung halte ich (wenn noch so 4 / 5 Anschläge passieren) schon 2017 für möglich :(
Werner W.
"Ne rechte Regierung halte ich (wenn noch so 4 / 5 Anschläge passieren) schon 2017 für möglich :("
Die AFD ist von den 30%, die sie höchstens in Mecklenburg-Vorpommern bekommt, bundesweit meilenweit weg. Deutschlandweit liegt sie aktuell eher bei 10-12%. Schon 20% wären ein Traumwahlergebnis für das wöchentliche Anschläge (und noch einiges andere) notwendig wären.
Selbst die FN ist in Frankreich in einer Art 30% Isolationshaft ohne Aussicht auf Mehrheiten.
Urmel
"Als Reaktion präsentierte Merkel einen Neun-Punkte-Plan für mehr Sicherheit. Dazu zählten eine Senkung der Hürden für die Abschiebung von Asylbewerbern...."
Damit stellt Frau Merkel einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Attentaten und der Anwesenheit der Flüchtlinge her. Wo bleibt jetzt der Aufschrei derer, die in den letzten Tagen Frau Wagenknecht wegen exakt des gleichen Vorwurfes in Grund und Boden geschrieben haben?
Nicky Arnstein
"Damit stellt Frau Merkel einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Attentaten und der Anwesenheit der Flüchtlinge her."
Zwei der Attentäter waren Flüchtlinge. Das kann man nicht unter den Teppich kehren und muss Konsequenzen haben.
ulf hansen
Mit " WIR SCHAFFEN DAS" meint Frau Merkel "Ihr dürft die Suppe auslöffeln"
Dieses "Wir" passt ganz und garnicht zur Kanzlerin das hat Frau Merkel oft und über durchschnittlich seit ihrer Amtszeit bewiesen.
JoWall
Was soll sie denn sonst sagen? Etwa "Tut mir leid, wir schaffen es doch nicht. Pech gehabt. Ihr müsst jetzt zurück nach Hause." ?
Wenn wir alles es denn wollten könnten wir einiges schaffen. Aber es gibt viele und möglicherweise zu viele - auch in hohen Positionen - die wollen gar nicht, die freuen sich vielleicht sogar ein wenig, wenn es schief läuft.
ulf hansen
"Wenn wir alles es denn wollten könnten wir einiges schaffen. Aber es gibt viele und möglicherweise zu viele - auch in hohen Positionen - die wollen gar nicht"
Für mich ein nichts aussagender Text der von der Kanzlerin stammen könnte.
Sie hat es verbockt und jetzt kommen die 9 Gebote der Frau Merkel , die für mich ein Witz sind, wer die liest müsste eigentlich erleuchtet sein
628 (Profil gelöscht)
Gast
'Was soll sie denn sonst sagen? Etwa "Tut mir leid, wir schaffen es doch nicht. Pech gehabt. Ihr müsst jetzt zurück nach Hause." ?'
Sagen soll sie gar nicht so viel, sondern mal machen. Sie ist Bundeskanzlerin. Zu sagen 'Wir schaffen das' und dann die freiwilligen Helfer, die Kommunen etc. im Regen stehen lassen, keine Maßnahmen einleiten, die eine Verschlimmerung der sozialen Schieflage im Land verhindern würde, sehr wenig für die Integration der Flüchtlinge tun usw. ist ein bisschen wenig. Mehr als das: eine solche Politik ist verantwortungslos. Denn es wird auf Dauer nicht funktionieren, und wenn die AfD irgendwann bei 30% steht, wird sich Deutschland sowieso zu 100% abschotten.
olim devona
Seit wann ist die taz ein Regierungsblatt, das Merkels Worte vermittelt aber es nicht schafft, eine kritische Haltung gegenüber dem neuen Nationalismus der Merkelregierung einzunehmen. Sie bereitet sich wohl auf eine Regierungsbeteiligung der Grünen vor. Da sollte es dann sitzen, der Regierunsgsprech
JoWall
@olim devona Siehe afp/dpa im Artikel. Sehr oft stehen hier doch nur erst mal nur Agenturberichte. Entsprechende TAZ Kommentare etc. werden wohl folgen wenn sie geschrieben sind.