piwik no script img

Pressefreiheit in der TürkeiGeldstrafe wegen Korruptionsbericht

Der Chefredakteur von „Cumhuriyet“ muss rund 9.000 Euro Strafe wegen „Beleidigung“ Erdoğans zahlen. In einem weiteren Prozess droht ihm eine Haftstrafe.

Türkische Journalisten protestieren gegen die Beschränkung der Meinungsfreiheit Foto: ap

Istanbul afp | Wegen „Beleidigung“ von Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist ein Journalist in der Türkei zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Ein Gericht in Istanbul sprach das Urteil gegen den Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet, Can Dündar. Es ging dabei um mehrere Ende 2013 veröffentlichte Berichte über einen Korruptionsskandal, in den auch Minister verwickelt gewesen sein sollen. Die Strafe wurde auf umgerechnet knapp 9.000 Euro festgesetzt.

Die Artikel stellten eine „Beleidigung“ des damaligen Regierungschefs Erdogan, seines Sohnes sowie sieben weiterer Verantwortlicher dar, befand das Gericht in Istanbul. Die Staatsanwaltschaft hatte bis zu neun Jahre und vier Monate Haft gefordert. Unmittelbar nach dem Urteilsspruch kündigten die Verteidiger von Dündar Berufung ab. Der Chefredakteur schrieb seinerseits auf Twitter: „Wenn das Enthüllen der Wahrheit ein Verbrechen ist, dann werden wir es weiter begehen.“

Dündar und ein Journalist seiner Zeitung sind in einem anderen Prozess wegen Spionage angeklagt. Dabei wird ihnen wegen der Veröffentlichung im Mai 2014 eines Artikels über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes MIT an Islamisten in Syrien auch die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Erdoğan hatte persönlich Strafanzeige gestellt und erklärt, dass die Verantwortlichen „einen hohen Preis“ zahlen würden für die Veröffentlichung der Informationen.

Der Prozess sorgte nicht nur für scharfe Kritik im In- und Ausland, sondern auch für diplomatische Verwicklungen: Erdoğan hatte wütend auf die Anwesenheit ausländischer Diplomaten beim Prozessauftakt reagiert, unter anderem wurde der deutsche Botschafter Martin Erdmann ins Außenministerium in Ankara zitiert. Der türkischen Regierung wird seit Jahren die Verfolgung kritischer Medien vorgeworfen. Auf einer Rangliste zum Stand der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei auf Platz 149 von 180 Staaten.

Auch im Ausland versucht die türkische Regierung, kritische Äußerungen gegen Erdogan zu unterbinden. So hat Ankara in Deutschland eine Strafverfolgung des Satirikers Jan Böhmermann wegen Beleidigung ausländischer Staatschefs verlangt, weil dieser im Fernsehen ein „Schmähgedicht“ vorgetragen hatte. Gegen den Widerstand des Koalitionspartners SPD erteilte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die dazu nötige Ermächtigung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!