Pressefreiheit in Russland: US-Journalistin in U-Haft
Einer amerikanisch-russischen Mitarbeiterin von Radio Liberty droht jahrelange Haft. Sie habe sich nicht als „ausländische Agentin“ registriert.
Den Ermittlungen zufolge soll Kurmaschewa „militärische Informationen“ gesammelt und an „ausländische Quellen“ weitergegeben haben. Deren Ziel sei es unter anderem, „Russland zu diskreditieren“. Thema war die Mobilmachung von Lehrkräften einer tatarischen Hochschule. Jetzt könnte laut dem Nachrichtenportal Tatar-Inform ein weiteres Strafverfahren hinzukommen. Die Journalistin hatte ein Buch über den Ukrainekrieg herausgegeben, das Russland „in schlechtem Licht“ erscheinen lasse.
Kurmaschewa, die die US-amerikanische und die russische Staatsbürgerschaft besitzt, lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Prag. Seit Jahren arbeitet sie vor allem zu nationalen Minderheiten in Tatarstan und Baschkortostan (einer autonomen Nachbarrepublik Tatarstans). Schwerpunkt ihrer Arbeit sind Bürgerbewegungen, die sich für den Erhalt der tatarischen Sprache und Kultur einsetzen. Die tatarische Bevölkerung steht seit Jahren unter wachsendem Druck der russischen Behörden.
Kurmaschewa war im vergangenen Mai aufgrund von Familienangelegenheiten nach Russland gereist. Am 2. Juni war sie auf dem Flughafen von Kasan festgesetzt worden, während sie auf ihren Rückflug nach Tschechien wartete. Beide Pässe wurden konfisziert, die Journalistin erhielt eine Geldstrafe. Der Vorwurf lautete, sie habe es unterlassen, den russischen Behörden ihre US-Staatsbürgerschaft anzuzeigen.
Anklage wegen Spionage
Ihre Ausweisdokumente hatte Kurmaschewa bis zum 18. Oktober, als die Falle erneut zuschnappte, immer noch nicht zurückerhalten. RL und seine Redaktionen sind seit 2017 beim russischen Justizministerium als „ausländische Agenten“ gelistet, die Person Alzu Kurmaschewa hingegen nicht.
Ihr Fall ist nicht der erste in Russland, der Mitarbeiter von Medien mit US-Staatsbürgerschaft betrifft. Seit März 2023 sitzt der US-Reporter Evan Gershkovich, der für das Wall Street Journal arbeitete, in Moskau in Haft. Er ist wegen Spionage angeklagt. Washington hat Moskau wiederholt vorgeworfen, willkürlich US-Bürger*innen festzunehmen, um sie gegen inhaftierte Russ*innen auszutauschen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken