Preisdeckel für Öl aus Russland: Liefern, ohne zu verdienen
Die G7-Staaten haben wohl eine Preisobergrenze für russisches Öl beschlossen. Polen und Deutschland wollen die Raffinerie Schwedt sichern.
In ihrer Erklärung erkannten die Minister Robert Habeck (Grüne) und Anna Moskwa (parteilos) die „gegenseitige Abhängigkeit der Ölmärkte in Polen und in Ostdeutschland sowohl hinsichtlich der Ölprodukte als auch der gemeinsam genutzten Rohölinfrastruktur an“, schreibt Habecks Ministerium in einer Mitteilung. Mit der Unterzeichnung wollten beide Seiten den Betrieb der polnischen Raffinerien in Danzig und Płock und der deutschen Raffinerien in Schwedt und Leuna in Sachsen-Anhalt sowie deren Versorgung mit ausreichenden Mengen von Rohöl sicherstellen.
Die Versorgungssicherheit ist vor allem in Schwedt seit Kriegsbeginn im Februar ein Thema. Die Raffinerie gehört noch immer zu 54 Prozent dem russischen Staatskonzern Rosneft, wenn auch unter einer Treuhand-Verwaltung. 37 Prozent der Anteile gehören dem britischen Ölkonzern Shell, der seine Anteile allerdings loswerden möchte. Anfang November hatte der polnische Energie- und Medienkonzern PKN Orlen mit Sitz in Płock laut Märkischer Oderzeitung Interesse an einem Einstieg in Schwedt angemeldet. Durch verschiedene Fusionen ist PKN Orlen, dessen Geschäftsführer Daniel Obajtek als Zögling von Jaroslaw Kaczyński, Chef der rechtskonservativen PiS-Partei gilt, inzwischen zu einem der großen Player auf dem europäischen Energiemarkt geworden.
Weil dem Konzern sowohl eine Nähe zur PiS als auch zu Russland und Ungarn nachgesagt wird, würde sich die Begeisterung der Bundesregierung über einen Einstieg in Schwedt wahrscheinlich in Grenzen halten. Allerdings ist die Not groß. Seit Monaten versucht Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner (Grüne), Öl für die Uckermark zu beschaffen. Es ist vorgesehen, dass 55 Prozent des Bedarfs über Tanker nach Rostock und von dort über eine bestehende Pipeline nach Schwedt gebracht werden. Zusätzliche Mengen könnten über den Danziger Hafen oder aus Kasachstan kommen.
Neue Märkte schwer zu finden
Bislang haben die Mitgliedsländer der EU täglich noch rund eine Million Barrel Öl aus Russland importiert, gegenüber rund 2,5 Millionen Barrel täglich vor dem russischen Überfall auf die Ukraine. Erhebliche Mengen konnte Russland nach China, Indien und in die Türkei umleiten, musste dabei aber zum Teil deutliche Preisabschläge von bis zu 25 Prozent hinnehmen, sagt Janis Kluge von der Forschungsgruppe Osteuropa der Stiftung Wissenschaft und Politik. Für die bislang noch an die EU gelieferte Menge neue Märkte zu finden, dürfte schwieriger werden, meint Kluge. Europa hingegen hat bislang mehr Öl aus Saudi-Arabien, Kasachstan, Großbritannien und den USA importiert.
Lieferungen russischen Rohöls in die EU per Schiff sollten ab Montag eigentlich verboten werden. Nun soll der Preisdeckel – ein Vorschlag der USA – dieses Embargo ersetzen. Nach einer Information der Nachrichtenagentur Reuters haben sich Diplomaten zufolge die G7-Staaten auf eine Preisobergrenze von 60 Dollar je Fass für russisches Öl geeinigt, das über den Seeweg transportiert wird. Mit einem Anpassungsmechanismus solle die Obergrenze zudem immer bei fünf Prozent unter dem Marktpreis gehalten werden, sagte ein EU-Diplomat Reuters.
Polen, das auf eine möglichst niedrige Preisobergrenze gedrungen hat, muss der Vereinbarung noch zustimmen. Kommt es so, könnte die Einigung von allen EU-Regierungen bis zu diesem Freitag besiegelt werden. Ziel des Preisdeckels ist es, auf der einen Seite Russlands Einnahmen zu schmälern. Daher setzten sich gerade Polen und auch die baltischen Staaten für einen geringen Preis ein. Auf der anderen Seite sollte der weltweite Ölpreis aber auch nicht durch einen kompletten Importstopp in die Höhe getrieben werden, da Russland etwa zehn Prozent des weltweiten Öls produziert. Der Ölpreis-Deckel „versucht die Quadratur des Preises“, sagt Kluge – ob er funktioniert, erwarten Experten mit Spannung.
Wichtiger Hebel zur Umsetzung der Preisgrenze soll sein, dass Versicherungen und Reedereien sich an den russischen Geschäften nur beteiligen dürfen, wenn das Öl für unter 60 Dollar verkauft wird. Derzeit liegt der Weltmarktpreis zwar ohnehin darunter, könnte aber beim Anziehen der Weltkonjunktur wieder steigen. Unklar ist, wie Russland reagiert. Der Kreml hatte angedeutet, dass Staaten, die sich an einem Preisdeckel beteiligen, gar nicht mehr beliefert würden.
Die Zukunft ist erneuerbar
Ausgenommen von den EU-Sanktionen ist Pipeline-Öl, das nach Europa fließt. Darauf hatte unter anderem Ungarn gedrungen. Deutschland jedoch hat erklärt, ab 2023 auch auf diesem Weg kein russisches Öl mehr abzunehmen. Daher sucht die Bundesregierung einen anderen Weg, um die Versorgung der ostdeutschen Raffinerie Schwedt zu sichern.
Langfristig setzt die PCK auf die Produktion von grünem Wasserstoff. Das deckt sich mit einer Analyse verschiedener Fraunhofer-Institute zur Möglichkeit einer klimaneutralen Raffinerie. Dazu müssten in einem ersten Schritt Elektrolysekapazitäten aufgebaut werden, um zunächst das heute eingesetzte Erdgas zur Wasserstofferzeugung als Betriebsmittel bei der Rohölveredlung zu ersetzen. Im zweiten zeitnahen Schritt sollten alternative Technologien – wie die Fischer-Trops-Methode – etabliert werden, schreiben die Wissenschaftler. Dazu passt, dass auch der Biokraftstoff-Produzent Verbio und das Windenergie-Unternehmen Enertrag Interesse an einem Einstieg in die PCK angemeldet haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
G20-Gipfel in Brasilien
Milei will mit Kapitalismus aus der Armut
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
Virale „Dubai-Schokolade“
Dabei sein ist alles