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Preis für migrantisierte MenschenEine Bühne für die Unsichtbaren

Der in Bremen etablierte Diaspora-Preis wird jetzt erstmals auch in Wilhelmshaven verliehen. Es geht darum, das Engagement von Migranten zu würdigen.

Organisieren den Diaspora-Preis: Virginie Kamche (l.) und Wilma Nyari Foto: privat

Bremen taz | An diesem Sonntag wird in Wilhelmshaven erstmals der Diaspora-Preis verliehen. Er richtet sich in erster Linie an migrantisierte Personen und Vereine, die sich für den guten Zweck engagieren. Mittlerweile wird er in fünf Kategorien verliehen, die sich an den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN orientieren. Die Ge­win­ne­r*in­nen erhalten jeweils ein Preisgeld von 1.000 Euro. In Bremen gibt es den Preis schon seit 2018.

„Wertschätzung ist ganz wichtig, um die Kraft zu haben, weiterzumachen“, sagt Virginie Kamche. „Das war meine Motivation, den Diaspora-Preis in Bremen ins Leben zu rufen.“ Es gebe so viele tolle Ideen, mit denen Mi­gran­t*in­nen in Bremen die Welt besser machen wollten. Schon im ersten Jahr seien 31 Bewerbungen eingegangen. „Dieses Engagement wird durch den Dispora-Preis sichtbar gemacht“, erzählt Kamche stolz.

Seit fast 30 Jahren engagiert sich die in Kamerun geborene Kamche für die afrikanische Community in Bremen. „Meine Arbeit ist oft schwer“, sagt sie und klingt trotz ihrer freundlichen Stimme angestrengt. „Aber ich will weitermachen und für die vielen Menschen kämpfen, die hier leben und unsichtbar gemacht oder rassistisch ausgegrenzt werden.“

Kamche war lange Vorsitzende des Afrika Netzwerks Bremen und arbeitet als Fachpromotorin für Migration, Diaspora und Entwicklung. „Es braucht mehr Vernetzung und Vorbilder für Menschen, die nicht weiß sind und kein akzentfreies Deutsch sprechen“, sagt sie. Der Diaspora-Preis in Bremen gebe diesen Menschen eine Bühne, auf der sie ernst genommen werden.

Rassismus auf dem Land

Wilma Nyari ist schon seit einigen Jahren in der Jury des Bremer Diaspora-Preises aktiv. „Die Idee hat mich so beeindruckt und begeistert, dass ich den Preis unbedingt auch zu mir nach Wilhelmshaven holen wollte“, sagt sie.

Gemeinsam mit Virginie Kamche und weiteren Personen gründete sie deshalb im vergangenen Jahr das „Dekoloniale Netzwerk Nordwest“, einen Verbund von Engagierten gegen Rassimus aus Bremen, Wilhelmshaven und Oldenburg. „Ziel des Netzwerks ist es, besonders BIPoC, also Black, Indigenous and People of Colour, im ländlichen Raum anzusprechen und zu fördern“, sagt Nyari.

Rassismus betreffe nicht nur Großstädte, sondern gerade auch ländliche Regionen. Auf dem Land sei es aber viel schwerer, Strukturen aufzubauen. „Deshalb haben wir unsere Kräfte gebündelt und das Netzwerk gegründet“, sagt Nyari.

Tatsächlich gelang es dem Dekolonialen Netzwerk im vergangenen Jahr, eine Förderung von der Bundeszentrale für politische Bildung zu erhalten. „Dadurch war es für uns möglich, den Diaspora-Preis dieses Jahr zum ersten Mal auch hier in Wilhelmshaven zu organisieren“, erzählt Nyari. „Außerdem konnten wir die Stadt dafür gewinnen, uns mit den Preisgeldern zu unterstützen.“ Die Landtagsabgeordnete Lena Nzume von den Grünen und Armin Schönfelder, Erster Stadtrat von Wilhelmshaven, haben die Schirmherrschaft übernommen.

Es braucht mehr Vernetzung und Vorbilder für Menschen, die nicht weiß sind

Virginie Kamche, Preis-Initiatorin

Mit der Resonanz auf den Preis ist Nyari zufrieden. Zehn Bewerbungen seien eingegangen. „Dafür, dass wir den Preis dieses Jahr zum ersten Mal hier verleihen, ist das ein guter Rücklauf, der zeigt, dass es in Wilhelmshaven bereits tolle Projekte gibt“, sagt Nyari.

Dennoch stößt sie oft auf Widerstände. Die Förderung der Bundeszentrale für politische Bildung läuft Ende des Jahres aus. Wie das Netzwerk sich danach finanzieren soll, ist noch unklar.

Auch innerhalb der Strukturen gibt es Schwierigkeiten. „Das Engagement hängt noch sehr stark von Einzelpersonen ab“, sagt Nyari. „Viele Menschen mit Diskriminierungs- und Rassismus­erfahrungen trauen sich nicht, sich zu engagieren.“

Diese Erfahrung macht auch Virginie Kamche. „Es tut wirklich weh“, sagt sie. „Jeder Mensch hat etwas zu sagen, aber viele Schwarze Menschen sagen mir, dass sie sich nicht politisch einbringen wollen, weil sie sowieso nicht ernst genommen werden.“

Die einzige Schwarze Frau

„Das ist wirklich schwierig und ein allgemeines Problem“, sagt Kamche. „Selbst wenn es darum geht, etwas gegen Rassismus und für die Sichtbarkeit von Mi­gran­t*in­nen zu machen, bin ich oft die einzige Schwarze Frau.“

Kamche und Nyari haben viel bewegt. Ihr Engagement macht deutlich, dass das Eintreten gegen Rassismus oft an einzelnen Leuten hängt, die selbst betroffen sind. Mit den Diaspora-Preisen bekommen diese Menschen ein bisschen Sichtbarkeit und Wertschätzung zurück.

Der Diaspora-Preis in Wilhelmshaven wird am 20. August im Pumpwerk verliehen. In Bremen läuft die Bewerbungsfrist noch bis zum 30. September, Preisverleihung am 28. Oktober.

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1 Kommentar

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