Preis für Leuphana-Uni: Nachhaltiger Kritik ausgesetzt
Die Leuphana-Universität Lüneburg soll den Deutschen Nachhaltigkeitspreis bekommen. Doch am Verfahren wie an der Preiswürdigkeit gibt es Kritik.
Die Leuphana-Universität ist eine naheliegende Kandidatin für den Preis. Nachhaltigkeit ist eines ihrer fünf Profilthemen und ein „auf allen Ebenen gelebtes universitäres Handlungsprinzip“. Wer hier – egal was – studiert, muss sich im ersten Semester nicht nur mit Statistik und Wissenschaftsgeschichte auseinandersetzen, sondern auch mit „Verantwortung und nachhaltigem Handeln im 21. Jahrhundert“. Einer der Lehrstuhlinhaber, Michael Braungart, ist Miterfinder des Upcycling-Konzepts Cradle to Cradle.
Diese Expertise führt allerdings auch dazu, dass die Universität und die als Verein organisierte Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis (DNP) eng verbunden sind. Von den 140 Juroren aus Unternehmen, Hochschulen und Verbänden für die Vielzahl an Preiskategorien kommen sechs von der Leuphana – so viele wie von keiner anderen Hochschule. Zu den Methodik- und Recherchepartnern des DNP gehört das Centre for Sustainability Management (CMS) der Leuphana.
„Da sind alle mit der Leuphana-Universität verbandelt und nicht mit anderen“, sagt Thilo Clavin, der sich in Lüneburg in verschiedenen Organisationen für Natur- und Umweltschutz engagiert. Das tue der Glaubwürdigkeit des Preises Abbruch – zumal auch am Handeln der Uni einiges auszusetzen sei.
Offensiver Umgang mit Interessenkonflikten
Der DNP geht allerdings offensiv mit Interessenkonflikten um. Aufgrund der Wettbewerbsmethodik sei zu erwarten, „dass sich auch Partner der Stiftung unter den Vorreitern in ihren Branchen befinden“. Die Jurymitglieder verpflichteten sich, „vollständig unabhängig, frei und auf Basis ihrer fachlichen Expertise abzustimmen“.
Bewertungspartner wie das CMS der Leuphana verpflichten sich, Interessenkonflikte offen zu legen und gegebenenfalls ein Unternehmen nicht zu bewerten. Im Fall der Leuphana habe die Uni-Mitarbeiterin in der Jury weder an der Recherche teilgenommen noch habe sie in den beiden Jury-Runden abstimmen dürfen. An der ersten Runde nahm sie ohne Stimmrecht teil.
Inhaltlich kritisiert Clavin, dass die Uni 2019 Tropenholz in ihrer Mensa-Terrasse verbaute. Das Holz wurde zwar vom Forest Stewardship Council (FSC) als nachhaltig zertifiziert. Clavin verweist aber darauf, dass Greenpeace den FSC nicht mehr unterstütze und fordere, den Holzeinschlag in Urwäldern zu stoppen.
„Sie können sicher sein, dass all diese Themen bei uns adressiert sind“, sagt Henning Zühlsdorff, Sprecher der Uni Lüneburg. Zertifikate von Lieferanten und Verarbeitern lägen vor. Externe Sachverständige hätten die Lieferkette überprüft. Die ausgewählte Holzart habe den Materialbedarf halbiert und die Lebenszeit der Terrasse verdoppelt.
Wo wird das Geld nachhaltig angelegt?
Manche Kritikpunkte, wie sie etwa in dem studentischen Lüneburger Hochschulmagazin Univativ geäußert werden, haben sich nach Hochschulangaben erledigt. Demnach hat die Leuphana im vergangenen Jahr zu 99 Prozent Recyclingpapier verwendet, ihren Strombedarf vollständig ökologisch gedeckt und ihren Wärmebedarf zu 89 Prozent.
Die Energie gewinnt die Universität mit einem gasbetriebenen Blockheizkraftwerk. Das werde zwar mit Biogas betrieben, moniert Clavin. Sofern dieses aber nicht aus Reststoffen gewonnen würde, sondern aus eigens angebautem Mais, wäre nicht viel gewonnen.
Clavin weist auch darauf hin, dass die Uni ein Konto bei der Nord LB führe, die es nicht ausschließe, in fossile Energie und Rüstung zu investieren. Die Bank schließt Investitionen in Kohle- und Atomenergie ebenso aus wie in „kontroverse Waffen“. Geschäfte würden nur mit inländischen Rüstungsbetrieben gemacht. Laut des DNP hat die Uni nur ein Geschäftskonto bei der Nord LB. Das Geld sei längst anderswo nachhaltig angelegt.
Als Preisträgerin ausgewählt worden sei die Leuphana unter anderem, weil sie die einzige Fakultät für Nachhaltigkeit habe, weil sie das Lernen am konkreten Beispiel fördere, ebenso wie die Forschung von Frauen und die Gründung sozialer Unternehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!