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Präsidentschaftswahlen in SomalilandEinzigartiger Machtwechsel am Horn von Afrika

Im international nicht anerkannten Somaliland wird der Präsident abgewählt. Der friedliche Machtwechsel könnte erhebliche Auswirkungen haben.

Die einzige Demokratie am Horn von Afrika: Schlange­stehen vor dem Wahllokal in Somalilands Hauptstadt Hargeisa, 13. November 2024 Foto: Isak Abdi Amin/epa-efe

Berlin taz | Freie Wahlen und demokratische Machtwechsel gibt es am Horn von Afrika sonst nie – ausgerechnet der einzige Staat der Region, der nicht international anerkannt ist, spielt hier nun wieder einmal Vorreiter. In Somaliland, das 1991 seine Unabhängigkeit von Somalia erklärte, hat die Opposition die Präsidentschaftswahlen vom vergangenen Mittwoch gewonnen. An diesem Mittwoch gestand Amtsinhaber Muse Bihi offiziell seine Niederlage gegen Abdirahman Abdullahi ein.

Ein ehemaliger Offizier wird damit am 13. Dezember die Macht an einen ehemaligen Diplomaten übergeben, die seit 2017 regierende Partei „Kulmiye“ (Partei für Frieden, Einheit und Entwicklung) verliert zugunsten der oppositionellen „Waddani“ (Patriotische Partei). Innenpolitisch gesehen kommt damit das politische Lager von Somalilands erstem zivilen Präsidenten Mohamed Egal, das unter anderem Parteinamen von 1993 bis 2017 regiert hatte, zurück an die Macht. Außenpolitisch könnte ein entspannterer Politikstil einkehren, nachdem die Kriegsgefahr in der Region hoch ist wie selten.

Anfang 2024 hatte Somaliland ein Militärbündnis mit Äthiopien geschlossen und unter anderem Äthiopiens Marine Zugang zu Berbera gewährt, der größte Hafen am Horn von Afrika neben Aden in Jemen. Somalia, das Somalilands Abspaltung 1991 nie anerkannt hat, hatte darauf empört reagiert und seinerseits ein Militärbündnis mit Äthiopiens Erzfeind Ägypten geschlossen. Ein regionaler Krieg steht seit Monaten im Raum, es wechseln sich auf allen Seiten militärische Muskelspiele, Entspannungsfloskeln und aggressive Rhetorik ab.

Vom neuen Präsidenten wird nun ein diplomatischeres Auftreten erwartet als vom alten. Der Wahlverlierer Muse Bihi war in den 1970er Jahren Luftwaffenpilot in der somalischen Armee. Danach wechselte er angesichts des Vernichtungskrieges des somalischen Diktators Siad Barre gegen Rebellen in Somaliland, der in den 1980er Jahren Hunderttausende Tote forderte, zur Guerilla SNM (Somali National Movement). Die SNM rief 1991 nach Siad Barres Sturz Somalilands Unabhängigkeit in den Grenzen des früheren Kolonialgebietes Britisch-Somaliland aus.

Derweil wurde der unscheinbare Diplomat Abdirahman Abdullahi Somalias Botschafter in der Sowjetunion, die kurz darauf ebenfalls auseinanderfiel. Die SNM übergab 1993 die Macht an eine zivile Regierung unter Somalilands allererstem Präsident Mohamed Egal, der 1960 das britische Kolonialgebiet erst in die Unabhängigkeit und dann in die nun wieder beendete Vereinigung mit der italienischen Somalia-Kolonie um Mogadischu geführt hatte. Egal regierte bis zu seinem Tod 2002.

Einheit und Stabilität aufs Spiel gesetzt

Die von SNM-Kriegsveteranen gegründete Partei Kulmiye, zunächst gegen Egal in der Opposition, gewann 2017 erstmals Wahlen in Somaliland. Ihr wurde an der Regierung autoritärer Umgang mit Kritikern vorgeworfen, der die Einheit und Stabilität Somalilands – im Kontrast zum Staatszerfall und Dauerkrieg in Somalia – aufs Spiel setze. Nach schweren Kämpfen verlor Somalilands Zentralregierung 2023 die Kontrolle über östliche Gebiete des Landes. Die Nähe zum autoritären Äthiopien sorgt ebenfalls bei Kritikern für Missfallen. Das Militärabkommen mit Äthiopien ist nie veröffentlicht worden, und der neue Präsident kritisierte im Wahlkampf, er habe es nie gesehen.

Gegenüber der taz hatte Wahlsieger Abdullahi bereits 2017, damals im Amt des Parlamentspräsidenten, bei einem Besuch in Berlin heftige Kritik an Somalilands Kulmiye-Regierung geäußert. Damals hatte das Land gerade ein Abkommen mit Dubai zum Ausbau des Hafens Berbera geschlossen, auch damals schon ohne Öffentlichkeit. Dies werde Somaliland in den Krieg in Jemen hineinziehen, hatte Abdullahi gewarnt: „Wir wollen nicht, dass die Emirate von Berbera aus Luftangriffe im Jemen fliegen.“

Er forderte außerdem, Somaliland müsse Gespräche mit Somalia als „zwei gleichwertige Parteien“ führen und schlug Direktverhandlungen mit europäischer Vermittlung vor. Seine Partei „Waddani“ gewann 2019 Somalilands Parlamentswahlen, und seit die 2022 fällige Präsidentschaftswahl verschoben wurde, galt es als gesetzt, dass sie auch das höchste Staatsamt erobern werde.

Direkt gegenüber liegt Jemen

Vergeblich warb Präsident Musa Bihi im Wahlkampf dafür, Somalilands demokratische Errungenschaften dadurch zu honorieren, dass man ihn im Amt bestätigt. Seine Partei wurde eher mit der Schwächung dieser Errungenschaften in Verbindung gebracht. Kulmiye sackte bei den Wahlen von 55,1 auf 34,8 Prozent ab, Waddani legte von 40,7 auf 63,9 Prozent zu.

Die internationale Konstellation ist günstig für neue Versuche, Somalilands Eigenständigkeit auch ohne einseitige Abhängigkeit von Äthiopien zu sichern. Somaliland grenzt an den wichtigsten Seehandelsweg zwischen Asien und Europa und seine Stabilität ist von globalem Interesse – direkt gegenüber liegt Jemen, wo Iran über seine Unterstützung der in Sanaa regierenden Huthi-Rebellen Fuß gefasst hat.

Somaliland unterhält diplomatische Beziehungen zu Taiwan und in den USA gehörte die Anerkennung Somalilands zum Wahlprogramm Donald Trumps. Das wäre ein Türöffner für andere Länder, und dabei kommt nun dem diplomatisch geschulten neuen Präsidenten die Schlüsselrolle zu.

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3 Kommentare

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  • Wenn man bedenkt, was alles für Staaten international anerkannt sind, in denen es die politischen Akteure nicht schaffen, eine verlorene Wahl anzuerkennen, dann wäre es doch an der Zeit, Somaliland anzuerkennen. Denn dort scheint man das zu schaffen - unter sehr viel schwierigeren Umständen als in den "etablierten Demokratien" bzw. "anerkannten Diktaturen/Autokratien"...



    Falls man das aus dieser Entfernung überhaupt beurteilen kann...

  • Tatsächlich eine Entwicklung in Somaliland, die man in aufgeriebenen Ländern sehr selten sieht. Die Machtspielchen Äthiopiens, Ägyptens und der Saudis werden allerdings weitergehen. Der unkontrollierbare Nachbar Somalia spielt kaum noch eine Rolle.

  • Ganz allgemein ist Machtwechsel ohne Ängste oder Unfairness ein Pfeiler repräsentativer Demokratie. Daher sind die Putins, Erdo^gans, Trumps, Netanyahus, Orbáns so ungut. Auch in der "westlichen" Welt, nicht nur in Afrika, gibt es nämlich die "Angstkläffer", die falschspielen, um an der Macht zu bleiben.



    Polen etwa zeigt aber, dass das zuweilen umkehrbar ist.