Präsidentschaftswahlen in Somaliland: Einzigartiger Machtwechsel am Horn von Afrika
Im international nicht anerkannten Somaliland wird der Präsident abgewählt. Der friedliche Machtwechsel könnte erhebliche Auswirkungen haben.
Ein ehemaliger Offizier wird damit am 13. Dezember die Macht an einen ehemaligen Diplomaten übergeben, die seit 2017 regierende Partei „Kulmiye“ (Partei für Frieden, Einheit und Entwicklung) verliert zugunsten der oppositionellen „Waddani“ (Patriotische Partei). Innenpolitisch gesehen kommt damit das politische Lager von Somalilands erstem zivilen Präsidenten Mohamed Egal, das unter anderem Parteinamen von 1993 bis 2017 regiert hatte, zurück an die Macht. Außenpolitisch könnte ein entspannterer Politikstil einkehren, nachdem die Kriegsgefahr in der Region hoch ist wie selten.
Anfang 2024 hatte Somaliland ein Militärbündnis mit Äthiopien geschlossen und unter anderem Äthiopiens Marine Zugang zu Berbera gewährt, der größte Hafen am Horn von Afrika neben Aden in Jemen. Somalia, das Somalilands Abspaltung 1991 nie anerkannt hat, hatte darauf empört reagiert und seinerseits ein Militärbündnis mit Äthiopiens Erzfeind Ägypten geschlossen. Ein regionaler Krieg steht seit Monaten im Raum, es wechseln sich auf allen Seiten militärische Muskelspiele, Entspannungsfloskeln und aggressive Rhetorik ab.
Vom neuen Präsidenten wird nun ein diplomatischeres Auftreten erwartet als vom alten. Der Wahlverlierer Muse Bihi war in den 1970er Jahren Luftwaffenpilot in der somalischen Armee. Danach wechselte er angesichts des Vernichtungskrieges des somalischen Diktators Siad Barre gegen Rebellen in Somaliland, der in den 1980er Jahren Hunderttausende Tote forderte, zur Guerilla SNM (Somali National Movement). Die SNM rief 1991 nach Siad Barres Sturz Somalilands Unabhängigkeit in den Grenzen des früheren Kolonialgebietes Britisch-Somaliland aus.
Derweil wurde der unscheinbare Diplomat Abdirahman Abdullahi Somalias Botschafter in der Sowjetunion, die kurz darauf ebenfalls auseinanderfiel. Die SNM übergab 1993 die Macht an eine zivile Regierung unter Somalilands allererstem Präsident Mohamed Egal, der 1960 das britische Kolonialgebiet erst in die Unabhängigkeit und dann in die nun wieder beendete Vereinigung mit der italienischen Somalia-Kolonie um Mogadischu geführt hatte. Egal regierte bis zu seinem Tod 2002.
Einheit und Stabilität aufs Spiel gesetzt
Die von SNM-Kriegsveteranen gegründete Partei Kulmiye, zunächst gegen Egal in der Opposition, gewann 2017 erstmals Wahlen in Somaliland. Ihr wurde an der Regierung autoritärer Umgang mit Kritikern vorgeworfen, der die Einheit und Stabilität Somalilands – im Kontrast zum Staatszerfall und Dauerkrieg in Somalia – aufs Spiel setze. Nach schweren Kämpfen verlor Somalilands Zentralregierung 2023 die Kontrolle über östliche Gebiete des Landes. Die Nähe zum autoritären Äthiopien sorgt ebenfalls bei Kritikern für Missfallen. Das Militärabkommen mit Äthiopien ist nie veröffentlicht worden, und der neue Präsident kritisierte im Wahlkampf, er habe es nie gesehen.
Gegenüber der taz hatte Wahlsieger Abdullahi bereits 2017, damals im Amt des Parlamentspräsidenten, bei einem Besuch in Berlin heftige Kritik an Somalilands Kulmiye-Regierung geäußert. Damals hatte das Land gerade ein Abkommen mit Dubai zum Ausbau des Hafens Berbera geschlossen, auch damals schon ohne Öffentlichkeit. Dies werde Somaliland in den Krieg in Jemen hineinziehen, hatte Abdullahi gewarnt: „Wir wollen nicht, dass die Emirate von Berbera aus Luftangriffe im Jemen fliegen.“
Er forderte außerdem, Somaliland müsse Gespräche mit Somalia als „zwei gleichwertige Parteien“ führen und schlug Direktverhandlungen mit europäischer Vermittlung vor. Seine Partei „Waddani“ gewann 2019 Somalilands Parlamentswahlen, und seit die 2022 fällige Präsidentschaftswahl verschoben wurde, galt es als gesetzt, dass sie auch das höchste Staatsamt erobern werde.
Direkt gegenüber liegt Jemen
Vergeblich warb Präsident Musa Bihi im Wahlkampf dafür, Somalilands demokratische Errungenschaften dadurch zu honorieren, dass man ihn im Amt bestätigt. Seine Partei wurde eher mit der Schwächung dieser Errungenschaften in Verbindung gebracht. Kulmiye sackte bei den Wahlen von 55,1 auf 34,8 Prozent ab, Waddani legte von 40,7 auf 63,9 Prozent zu.
Die internationale Konstellation ist günstig für neue Versuche, Somalilands Eigenständigkeit auch ohne einseitige Abhängigkeit von Äthiopien zu sichern. Somaliland grenzt an den wichtigsten Seehandelsweg zwischen Asien und Europa und seine Stabilität ist von globalem Interesse – direkt gegenüber liegt Jemen, wo Iran über seine Unterstützung der in Sanaa regierenden Huthi-Rebellen Fuß gefasst hat.
Somaliland unterhält diplomatische Beziehungen zu Taiwan und in den USA gehörte die Anerkennung Somalilands zum Wahlprogramm Donald Trumps. Das wäre ein Türöffner für andere Länder, und dabei kommt nun dem diplomatisch geschulten neuen Präsidenten die Schlüsselrolle zu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“