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Präsidentenwahl in den USAEin offenes Rennen

Bettina Gaus
Kommentar von Bettina Gaus

Der Kandidat der Demokraten Biden liegt in den meisten Umfragen vorne. Aber Trump hat noch nicht verloren.

Landesweit führt Joe Biden in Umfragen zwar weiterhin deutlich, aber das besagt nicht viel Foto: Andrew Narnik/ap

D er Parteitag der US-Republikaner war in mehrfacher Hinsicht eine merkwürdige Veranstaltung. Erstaunlich vor allem, wie viel Raum dem demokratischen Herausforderer Joe Biden eingeräumt wurde. Üblicherweise arbeitet sich eine Opposition an einer Regierung ab, nicht umgekehrt.

Aber Präsident Donald Trump und seine Fangemeinde haben die Dämonisierung von Biden in den Mittelpunkt des Parteitags gestellt. Ausgerechnet dieser brave und ziemlich langweilige Politiker soll nun ein verkappter Linksradikaler sein, der das Land ins Chaos stürzen will und Gewalt auf den Straßen propagiert.

Diese Taktik führte dazu, dass sich die Parteitage der Republikaner und der Demokraten auf seltsame Weise ähnelten: Beide warnten vor allem vor dem jeweiligen Gegner und verzichteten weitgehend darauf, konkrete Konzepte für die nächsten vier Jahre vorzustellen. Für einen Herausforderer, der die Abwahl eines in breiten Bevölkerungsschichten unpopulären Präsidenten erreichen möchte, kann das eine vernünftige Strategie sein. Aber ein Staatsoberhaupt bringt sich damit um den Amtsbonus und wirkt wenig souverän.

Möglicherweise geht das Kalkül der US-Republikaner dennoch auf. Immerhin haben sie offenkundig erkannt, dass sie für einen Sieg auch auf die Stimmen von Leuten angewiesen sind, um die sie bisher kaum geworben haben. Die Folge: Eine für Republikaner ungewöhnlich hohe Zahl von Frauen, Afroamerikanern und Menschen mit Migrationshintergrund kamen auf dem Parteitag zu Wort. Dass sie alle die Politik des US-Präsidenten in den höchsten Tönen lobten, war ebenso zu erwarten gewesen wie das ausführliche Eigenlob von Donald Trump. Aber bemerkenswert war doch, dass dies selbst für Republikaner offenbar nur möglich ist, wenn die Realität dabei vollständig ausgeblendet wird.

Corona, Rassismus? Kein Thema

Der Parteitag schien in einem Paralleluniversum stattzufinden, nicht in den Vereinigten Staaten. Corona? Sei praktisch schon besiegt, einen Impfstoff gebe es spätestens am Ende des Jahres, und Trump habe Millionen Menschenleben gerettet. Rassismus? Kein Thema. Stattdessen war viel von Solidarität mit der Polizei die Rede und davon, dass einem tobenden, gewalttätigen Mob unnachsichtig Einhalt geboten werden müsse. Wirtschaftskrise? Keine Rede davon. Probleme, entstanden durch den „China-Virus“, würden bald gelöst, und die USA sähen einer glänzenden Zukunft entgegen.

Es ist leicht, sich über diese Weltsicht lustig zu machen und über die Fülle von Tatsachenverdrehungen oder sogar offenen Lügen den Kopf zu schütteln. Aber weder Spott noch Empörung ändern etwas daran, dass der Kampf ums Weiße Haus gerade erst begonnen hat – und dass die Chancen von Donald Trump sich derzeit zu verbessern scheinen.

Landesweit führt Joe Biden in Umfragen zwar weiterhin deutlich, aber das besagt nicht viel. Niemand bezweifelt, dass er bevölkerungsreiche Staaten wie Kalifornien und New York holen wird, die wählen schließlich traditionell die Demokraten. In den meisten wahlentscheidenden Swing States, in denen mal die eine, mal die andere Partei gewinnt, ist der Vorsprung von Biden in den letzten Wochen jedoch geschrumpft. Das ist ein für ihn alarmierender Trend.

Zu den Swing States gehört auch Wisconsin, jener Staat also, in dem vor wenigen Tagen dem Afroamerikaner Jacob Blake von einem weißen Polizisten sieben Mal in den Rücken geschossen wurde. Die Protestbewegung gegen Rassismus hat danach großen Zulauf gewonnen.

Gestiegen ist in Teilen der Bevölkerung aber auch die Angst vor Ausschreitungen bei Demonstrationen. Wie die Stimmung in Wisconsin sich in den nächsten Tagen entwickelt, wird Aufschluss darüber geben, ob Donald Trump erfolgreich ist mit seinem Versuch, die Spaltung der Gesellschaft zu vertiefen. Ausgeschlossen ist das nicht. Leider.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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8 Kommentare

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  • "Aber Trump hat noch nicht verloren." Davon bin ich auch überzeugt. Es gibt nun mal wahnsinnig viele Dumpfbacken in den USA. Alles Trump-Wähler!

  • Die "Vereinigten Staaten" existieren doch schon lange nur noch auf dem Papier. Vielleicht braucht es jemanden wie Trump, der die Spaltung so massiv voran treibt, dass selbige am Ende die unausweichliche Lösung ist.

  • Ich finde das eine wichtige Beobachtung: Die Angst vor Ausschreitungen, die soweit geht, dass Demonstrationen überhaupt schon als Bedrohung und Zeichen von Unruhe verstanden werden.



    Trump hat dabei selber die unterstützt, die in Michigan schwer bewaffnet gegen Corona-Auflagen demonstrierten. In den 50er und 60er Jahren wurde diese Harmoniesucht auch den kriegsgeschädigten Massen bei uns eingebläut (Trump hat sich bewusst bei kriegerischen Interventionen - im Ausland - zurückgehalten, mal von der Ermordung Souleymannis abgesehen).



    Und genau aus diesem Grund -- dass die Leute dringend Ruhe, re-assurance, Verlässlichkeit und Ordnung wollen - hat die demokratische Basis nicht progressive Demokraten, sondern den Kumpeltyp gewählt, der irgendwann mal von unten kam, nämlich Joe Biden.



    Die Kampagne von Bernie Sanders war kohärenter und energischer, aber er wurde als "verärgerter" alter Mann abgetan, und sowieso schrecklich links. Ähnlich wie Warren ("Pocohontas" nennt sie Trump), die ein paar kleine Fehler machte, aber Mike Bloomberg von seinem hohen Ross warf, was wiederum Biden nutzte.



    Unter den Umständen haben deshalb die Demokraten eine weise Wahl getroffen.



    Bidens persönlicher Leidensweg ist auch etwas, was gut vermarktet wird. Trump Leidensweg geht mit den Zähnen durch einen BigMac oder mit dem Stift über einen ungedeckten Scheck.



    Wem das alles als unpolitische Überlegungen erscheinen, vergisst, wie wahnsinnig sentimental die Wahlen in den Staaten verlaufen (Paul Auster zweifelt daran, dass die USA überhaupt jemals eine Demokratie waren, siehe sein Interview in der "Zeit").



    Ich empfehle übrigens Bidens Rede auf dem Parteitag der Demokraten, mit einer Leidenschaft und einem Engagement vorgetragen, zu denen bei uns kaum ein Politiker fähig wäre.

  • "Beide warnten vor allem vor dem jeweiligen Gegner und verzichteten weitgehend darauf, konkrete Konzepte für die nächsten vier Jahre vorzustellen."

    Nuna, dass Bettina Gaus Joe Biden langweilig findet, ist jetzt auch keine sehr prickelnde Nachricht. Muss die Welt nicht wirklich wissen. Und wenn die eine Partei, die Klimakrise nicht nur ignoriert sondern auch nach Kräften alle Aufklärung und alle politischen Maßnahmen sabotiert, sich in rassistischer Massenagitation übt, gewohnheitsmäßig die Lüge als politsche Waffe nutzt und einen schleichenden Putsch vollzieht, der in der Tat (Obama übertreibt nicht) auf nichts geringeres als die Zerstörung der US Demokratie zielt, und die andere Partei das kritisert, die Demokratie verteidigt und ein ehrgeiziges Klimaschutzprogramm vorstellt, dann wirkt so ein "neutraler" Standpunkt faktsch als eine Parteinahme für das regierende Trumputeam.

    Hier der Klimaplan des "langweiligen" Joe Biden: www.demconvention....e-and-create-jobs/

  • Hat noch nicht verloren, ja, aber er verliert!

    • @Sarg Kuss Möder:

      Vor der letzten Wahl sahen alle Trump auf dem zweiten Platz. Vor dieser Wahl ebenfalls...

  • Man lobe nicht den Tag vor dem Abend. (Fast) Alle waren sich vor etlichen Jahren sicher, dass Hillary Clinton amerikanische Präsidentin wird. Wir wissen, wie es gekommen ist.

    • @Luftfahrer:

      Klar, es kann noch viel passieren, aber



      die Situation stellt sich wegen des Virus und der wirklich massiven Einheit der Trumpgegner diesmal anders dar.



      Selbst das frühere Establishment der Republikaner wählt Trump nicht mehr; die nichtweiße Fastmehrheit ist super mobilisiert; und Biden zieht nicht die persönlichen Antipathien auf sich, die es bei Hillary gab. Bin auch zuversichtlich, was die Debatten angeht, Biden will floor Trump who's getting more nervous by the day.