Präsidentenwahl in Polen: Demokratie im Schweinsgalopp

Nach der verpatzten Wahl im Mai sollen die Pol*Innen Ende Juni ihr Staatsoberhaupt wählen. Auch diese Abstimmung ist nicht verfassungskonform.

Eine frau im blauen Mantel unterschreibt

Warschaus Bürgermeister Rafal Trzaskowski sammelt Unterschriften Foto: Kacper Pempel/reuters

WARSCHAU taz | „Zurück auf Start!“ heißt es in Polen nach der spektakulär gescheiterten Präsidentenwahl vom Mai 2020. Die Zeit drängt, da die Amtszeit von Präsident Andrzej Duda am 6. August endet. Bis dahin sollte ein Nachfolger oder aber erneut Duda als Kandidat der nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gewählt sein.

Den neuen Termin, den 28. Juni, gab die Vorsitzende des polnischen Abgeordnetenhauses Elzbieta Witek am Mittwoch bekannt. Jetzt erwartet die polnischen Wähler und Wählerinnen ein weiteres Politspektakel. Denn die zehn Kandidaten müssen nun alle Hürden im sogenannten Wahlkalender im Schweinsgalopp nehmen und können dabei immer mal wieder aus der Kurve fliegen.

Rechtlich wird auch die Juni-Wahl verfassungswidrig sein, da auch das neue Wahlgesetz nicht mindestens sechs Monate vor den nächsten Wahlen in Kraft trat. Bei der Mai-Wahl war es noch krasser. Das neue Briefwahlgesetz trat erst zwei Tage vor der Wahl in Kraft.

Doch PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski beharrte auf dem Mai-Termin, hatte er doch eigens veranlasst, dass nicht die staatliche Wahlkommission die Wahl organisieren sollte, sondern der PiS-Innenminister und Geheimdienstkoordinator Mariusz Kaminski sowie der PiS-Schatzminister Jacek Sasin.

Fristlose Entlassung

Diese wiederum hatten die Post mit der Durchführung der Briefwahl unter Covid-19-Bedingungen beauftragt, aber nicht damit gerechnet, dass die Postler zwar gerne Briefe zustellen wollten, aber auf keinen Fall die Verantwortung für die Wahl übernehmen wollten.

Die fristlose Entlassung des Postchefs und seine Ersetzung durch einen Karrieristen aus dem Verteidigungsministerium machte die Sache nicht besser. Es sickerte durch, dass die Postler sich wohl massenhaft krank melden würden, sollten sie dazu gezwungen werden, die Stimmzettel auszuzählen.

In einem Hinterstübchen kamen dann die beiden Parteifunktionäre und einfachen Abgeordneten Jaroslaw Gowin und Jaroslaw Kaczynski überein, den Wahltag am 10. Mai ohne Urnengang verstreichen zu lassen. Das oberste Gericht sollte die Wahl dann zu einer ungültigen erklären, und die PiS hätte neu durchstarten können.

Der Teufel liegt wie so oft im Detail: Um die Wahl zu einer ungültigen erklären zu können, hatten Wähler bei Gericht Protest einlegen müssen. Da am Wahltag aber niemand gewählt hatte, blieb dieser Weg verschlossen.

Fünf Tage Zeit

Doch die staatliche Wahlkommission hatte schon auf ihre Chance gewartet und gab am Abend des 10 Mai das Wahlergebnis bekannt: „Es fehlte die Möglichkeit einer Stimmabgabe.“ Der Kommissionschef erklärte, dass die Vorsitzende des Abgeordnetenhauses Witek nach der Publikation dieses Ergebnisses vom 10. Mai zwei Wochen Zeit habe, um den neuen Termin für die Präsidentschaftswahl bekannt zu geben.

Doch Polens PiS-Regierung ließ sich Zeit. Erst am Dienstag publizierte sie das Mai-Wahlergebnis im Gesetzesblatt, am Mittwoch gab Witek den neuen Wahltermin bekannt. Nun wird sich Rafal Trzaskowski von der konservativ-liberalen Bürgerplattform sputen müssen. Als neuer Kandidat hat er fünf Tage, um 100.000 Unterstützerstimmen zu sammeln. Gibt er die nicht pünktlich ab, ist er raus aus dem Wahlkampf, bevor dieser überhaupt richtig begonnen hat.

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