Präsident Andry Rajoelina: Der Schnellzug von Madagaskar
Der neue Präsident von Madagaskar, Andry Rajoelina, der auch "TGV" genannt wird, soll am Samstag vereidigt werden. Der 34-Jährige will die Armut auf Madagaskar bekämpfen.
Mit der Manipulation von Massen kennt sich Andry Rajoelina aus. Schließlich hat der Ex-DJ früher Platten aufgelegt und ist danach in der Werbewirtschaft reich geworden. Seine Erfahrungen nutzte Rajoelina in den vergangenen Monaten, um Madagaskars demokratisch gewählten, aber zunehmend unbeliebten Präsidenten Marc Ravalomanana abzulösen. Dass ihm die Legitimation dazu fehlt, störte den 34-Jährigen, der wegen seiner Hitzköpfigkeit und Rasanz "TGV" genannt wird (nach dem französischen Gegenstück zum ICE), nicht. Seit Dienstag ist er nun offiziell an der Macht.
Der junge Unternehmer - ihm gehören zwei Werbeagenturen und der Radio- und Fernsehsender Viva - war vor zwei Jahren noch ein Unbekannter. Ende 2007 schaffte Rajoelina aus dem Stand das Unfassbare: Mit einem poppigen Wahlkampf, der auf die überwiegend jungen Wähler zielte, luchste der brillante Redner mit dem jungenhaften Gesicht der Regierungspartei das Bürgermeisteramt in der Hauptstadt Antananarivo ab. Ein Jahr später blies er zum Angriff gegen Präsident Ravalomanana, dem er erstaunlich ähnlich ist.
Für seinen kometenhaften Aufstieg nahm sich Rajoelina niemand anders als den verhassten Konkurrenten zum Vorbild. Auch der war, selbst Unternehmer, einst als Bürgermeister von Antananarivo in die Politik gestartet und hatte sich als jugendliches Gegenstück zum langjährigen Diktator Didier Ratsiraka verkauft.
Wie Ravalomanana wirft Rajoelina seinem Vorgänger Korruption und die Vermischung von Politik und Geschäft vor. Doch selbst damit kennt Rajoelina sich aus: Kurz nach seinem Amtsantritt als Bürgermeister ließ er einer konkurrierenden Werbeagentur alle Werbetafeln im Stadtgebiet abnehmen - angeblich wegen Formfehlern. Heute gehören die Tafeln Rajoelinas Firma Injet.
Im Machtkampf der vergangenen Wochen gerierte sich Rajoelina als starker Mann im Land, obwohl ihn jenseits der Hauptstadt kaum jemand kennt. Doch Rajoelina hat potente Unterstützer: Dinosaurier aus Zeiten der marxistischen Diktatur und einen Neffen von Exdiktator Ratsiraka, den viele Kritiker als eigentlichen Architekten von Rajoelinas Aufstieg sehen. Auch Frankreich gehört zu den Förderern Rajoelinas.
Über sein Programm schweigt Rajoelina sich noch aus. Er wolle die Armut bekämpfen und das Land wieder zusammenführen, erklärte er am Mittwoch. Wie, ist unklar. Die Wirtschaft liegt am Boden, dass Touristen und Investoren schnell wiederkommen, ist unwahrscheinlich. Mit Madagaskars größtem Arbeitgeber dürfte Rajoelina zudem ein Verständigungsproblem haben: denn der heißt auch heute noch Marc Ravalomanana.
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