Potsdams neue Oberbürgermeisterin: Alle recht freundlich
Das erste Mal als Rathauschefin nimmt Noosha Aubel am Mittwoch an der Stadtverordnetenversammlung teil. Eins ist klar: Ihre Schonfrist ist kurz.
„Viel Glück und viel Segen auf all Ihren Wegen“ wünscht der FDP-Stadtverordnete Björn Teuteberg der neuen Potsdamer Oberbürgermeisterin. Benjamin Körner von Volt verspricht „der lieben Noosha“, seine Fraktion werde sie unterstützen, „wo es um Fortschritt geht“ und ihr einstiger CDU-Mitbewerber um das Amt, Clemens Viehrig, lobt ihr Vorhaben, die Sitzungen der Stadtverordneten zu straffen: „Da kann ich nur sagen, gehnse da voran“.
Es sind alle ziemlich nett am Mittwochnachmittag auf der ersten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung, an der die parteilose Noosha Aubel als Rathauschefin teilnimmt. Nach diesem Jahr, in dem die Stadtverordneten die Abwahl des Oberbürgermeisters Mike Schubert (SPD) durchsetzten, liegt der Wunsch nach einem Neuanfang in der Potsdamer Stadtpolitik nahe. Sogar der SPD-Fraktionschef Nico Marquardt verspricht artig, seine Fraktion werde Aubel unterstützen.
Dabei hatte die SPD auf den letzten Metern des Wahlkampfs panisch vor „grünen Experimenten“ gewarnt, als die Niederlage ihres aus Berlin importierten Kandidaten Severin Fischer auf einmal möglich schien, und damit ein Ende von 35 Jahren SPD-Herrschaft in der Stadt. Doch das ist Schnee von gestern, künftig muss Aubel auch mit den Sozialdemokraten zusammen arbeiten, vor allem, weil der Landeshauptstadt ein Sparhaushalt bevorsteht. Marquardt bat denn auch um einen „zeitnahen, transparenten Haushaltsprozess“.
Nach all den Glückwünschen steht Aubels erster Bericht als Oberbürgermeisterin an. Zu berichten hat sie noch nichts, erst am Dienstag war die 49-Jährige feierlich in ihr Amt eingeführt worden. Und so liefert sie in ihrer Rede stattdessen einen Problemaufriss: „Wir alle kennen doch die Spirale: Die Politik sagt zur Verwaltung: Wenn ihr zügig und adäquat liefern würdet, müssten wir nicht so viele Anträge stellen. Und die Verwaltung sagt: Wenn ihr nicht so viele Anträge stellen würdet, könnten wir endlich unsere eigentliche Arbeit machen.“ Das stimme zwar beides, sagt sie, „beides führt uns aber nicht weiter“. Sie stellt sich „Verwaltung und Politik als eingespieltes Team“ vor, die zusammen arbeiten für „das gemeinsame Ziel, eine lebenswerte Stadt“.
Schwere Entscheidungen
Vielleicht konnte Aubel den Erdrutschsieg von 72,9 Prozent bei der Stichwahl Mitte Oktober auch deswegen erreichen, weil solche Sätze bei ihr erstaunlicherweise nicht nach heißer Luft klingen, sondern nach einem Plan. Die Potsdamer Stadtpolitik benötige weniger Symbolik, weniger Meinung, dafür mehr fakten- und datenbasierte Entscheidungen. „Wir müssen das Tempo erhöhen und unsere Wirksamkeit sichtbarer machen“, fordert sie. Sie habe die Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung besucht und dabei gemerkt, dass man bei vielen Themen „inhaltlich nicht weit auseinander liege.“ Wohnen, soziale Gerechtigkeit, Klimaresilienz nennt sie als wichtige Themen.
Übersetzt ins Kommunale bedeutet das zum Beispiel, über die weitere Finanzierung von Leih-Lastenrädern abzustimmen. Mit 75.000 Euro hatte die Stadt in den vergangenen drei Jahren ein Projekt des Vereins Inwole gefördert, mit dem 15 Lastenräder sowie Schwerlastanhänger in Potsdam kostenfrei gegen Spende genutzt werden konnten.
Ende Oktober erreichte den Verein ein Brief aus der Stadtverwaltung, in dem diese ihr Bedauern darüber ausdrückte, dass die Fördersumme im kommenden Haushalt nicht mehr zur Verfügung stehe. Die Verwaltung – und mit ihr die neue Verwaltungschefin – argumentieren am Mittwoch, ohne eine neue Ausschreibung könne die Stadt das Projekt nicht weiter fördern. Das jedoch sieht eine Mehrheit aus den Fraktionen von Linken, Grünen, Andere und Freien Wählern anders und beschließt die weitere Finanzierung. Abgestimmt wird am frühen Abend – da ist die Stunde der Glückwünsche schon vorbei.
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