Potsdamer Ausstellung über DDR-Kunst: Noch nicht zu den Akten legen
Die Potsdamer Ausstellung „Im Dialog“ schärft den Blick auf Kunst aus der DDR. Zu sehen ist sie ausgerechnet im Privatmuseum Das Minsk.
Schon mal von der erzgebirgischen Moderne gehört? Zu dieser vermeintlich lokalen Ausformung von Kunst aus der DDR liegt eine Publikation im Potsdamer Museum Das Minsk aus. Oder „Trottoir Gespräche von Pirna bis Paris“, also jenes Pirna in Sachsen, in dem die AfD derzeit den Bürgermeister stellt.
Diese Kunstbuchtitel sind fake. Der Berliner Künstler Wilhelm Klotzek hat die Attrappen aufgestellt, als wären es Waren im Museumsshop. Damit trifft Klotzek einen Nerv: Auch festgeschriebene Kunstgeschichte darf überarbeitet werden. Denn das Minsk versammelt nun unter dem Titel „Im Dialog“ rund 50 Kunstwerke aus der DDR von 1949 bis 1990 und mag sie dabei nicht dem gängigen Bild anpassen, Kunst des Realsozialismus sei entweder regimekonform oder oppositionell gewesen, ohne jede Zwischentöne.
Dabei macht auch das Minsk zunächst eine vereinfachende Gegenüberstellung. Im Erdgeschoss die figurativen, realistischen Malereien von heute strittigen Staatskünstlern wie Willi Sitte, Wolfgang Mattheuer und Werner Tübke, der mit dem monumentalen Bauernkriegspanorama in Bad Frankenhausen das wohl größte Auftragskunstwerk der DDR anfertigte.
Nonkonformisten im Obergeschoss
Im Obergeschoss die Nonkonformisten und Subversiven: Mail-Art-Künstlerin Ruth Wolf-Rehfeldt mit ihren gewitzten Wortgrafiken, Performerin und Malerin Cornelia Schleime, die 1984 in die BRD ausreisen musste, und Gabriele Stötzer, die mit ihrer aktivistischen Kunst erst Ende der 1970er nach einer Haftstrafe im Erfurter Frauengefängnis begann. Stötzer hatte 1976 öffentlich gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann protestiert. „Habe ich euch nicht glänzend amüsiert“, lautet Stötzers trotzige Videoarbeit von 1989 in der Potsdamer Schau. Mit roter und weißer Farbe bemalt sie sich darin zur Kriegerin.
„Im Dialog“. Sammlung Hasso Plattner: Kunst aus der DDR. Das Minsk, Potsdam, bis 10. August 2025
Doch die in der Ausstellung gezogene Trennlinie zwischen offizieller und dissidentischer Kunst aus der DDR soll schnell wieder verwischen. Etwa, wenn man auf die Verstrickungen einiger Künstler:innen mit dem SED-Regime blickt. Da gibt es Ralf Kerbachs fauvistisch-expressive Tischszene „Dresdner Freunde“ von 1983/84. Ein fiktives Treffen zwischen dem Maler, Cornelia Schleime – hier totenbleich und mit rotem Hummer auf dem Kopf – und dem Autor Sascha Anderson, alle drei in der Dresdner Subkultur unterwegs und von der Stasi beobachtet. Anderson spähte allerdings als IM selbst die Künstlerfreunde aus.
Auf der vermeintlich anderen, offiziellen Kunstseite lässt sich wiederum beobachten, wie auch dort Kritik an den Verhältnissen möglich war. Mit welch grob gepinselter, rubenshafter Fleischlichkeit Willi Sitte 1967 etwa ein Liebespaar malte, den Blick direkt auf das Privateste in einem zunehmenden Kontrollstaat gerichtet.
Fortschrittspropaganda im All
Oder wie Wolfgang Mattheuer mit seiner sachlichen, ins Surreale kippende Malerei DDR-Fortschrittspropaganda bildlich unterwanderte. 1978, das Jahr, in dem Sigmund Jähn in einer sowjetischen Raumkapsel als erster Deutscher ins All flog, malt Mattheuer seinen „Sturz des Ikarus“, es ist ein Astronaut, dem hier vor unwirklichem Himmel die Flügel abflammen.
Mattheuer vertrat die DDR 1977 gemeinsam mit Tübke und Sitte auf der Kunstschau documenta, gegen manchen Protest aus dem Westen. In Kassel stellte er das seltsame Bild „Freundlicher Besuch im Braunkohlerevier“ aus. Parteifunktionäre mit Würfelköpfen staksen darin durch eine Mondlandschaft, die DDR war damals weltgrößter Braunkohleproduzent.
Das Gemälde, ein interessantes Dokument deutsch-deutscher Kulturpolitik, ist heute im Besitz des Softwareunternehmers Hasso Plattner. Der westdeutsche Plattner hat eine beachtliche Sammlung mit Kunst aus der DDR. Das von seiner Stiftung finanzierte Minsk in einem restaurierten Bau der Ostmoderne ist letztlich Display für seine Kunstkollektion. Das Privatmuseum macht einen guten Job, die Kunst der DDR wird in seinen Ausstellungen nicht ideologisch verklärt, sondern neu gedacht.
Trotzdem bedauerlich, dass solch Überarbeitung der DDR-Kunstgeschichte nicht von einem öffentlichen Haus ausgeht.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!