piwik no script img

PortraitDie Chefin von Pekings Gnaden

Neue Regierungschefin von Hongkong: Carrie Lam Foto: reuters

Noch vor Kurzem hatte kaum einer in Hongkong wirklich was gegen Carrie Lam. Als Verwaltungschefin der südchinesischen Wirtschaftsmetropole hat die 59-Jährige den Ruf, profundes Sachwissen mit pflichtbewusster Arbeit zu kombinieren.

Seitdem Peking sie aber als Regierungschefin der früheren britischen Kronkolonie favorisierte, hat eine Mehrheit der Bevölkerung sie zum Hassobjekt erklärt. In allen Umfragen lag sie weit hinter ihrem Rivalen John Tsang. Nun ist Lam dennoch zur neuen Regierungschefin gewählt worden. Sie ist damit die erste Frau an der Spitze von Hongkong.

Genau genommen handelte es sich gar nicht um eine Wahl – zumindest um keine freie. Nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ genießt Hongkong zwar Sonderrechte wie Meinungsfreiheit. Zudem gibt es ein unabhängiges Rechtssystem.

Doch entgegen allen Versprechungen durften nicht etwa die rund sieben Millionen Hongkonger über ihren künftigen Chef entscheiden. Stattdessen traten am Sonntag nur rund 1.200 Mitglieder eines Wahlkomitees an die Urne. 900 von diesen sind von Peking ernannte Delegierte oder Mitglieder berufsständischer Vertretungen, die ebenfalls als pekingtreu gelten. Sie stimmten sie für Lam.

Die gebürtige Hongkongerin kommt aus armen Verhältnissen. Nach dem Studium der Sozialwissenschaften trat sie in den Staatsdienst. Sie war viele Jahre in der Finanzverwaltung tätig, später für den sozialen Wohnungsbau zuständig.

Nach ihrer Wahl am Sonntag gab Lam zu, dass sich in der Metropole „viel Frust“ aufgestaut habe. Sie werde sich als Regierungschefin daher vor allem darauf konzentrieren, diese gesellschaftliche Spaltung zu überwinden.

Doch viele bezweifeln, dass ihr das gelingen wird. Zuletzt erweckte Lam immer stärker den Eindruck, dass auch sie nur eine Handlangerin Pekings ist. Als im vergangenen Jahr Agenten vom chinesischen Festland wegen angeblich KP-kritischer Literatur Hongkonger Buchhändler entführen ließ, hielt sie sich mit Kritik an Pekings Vorgehen zurück. Hunderte Demokratie-Aktivisten zogen auch am Sonntag gegen ihre Wahl auf die Straße. Felix Lee

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen