Porträt des polnischen Botschafters: Philosoph auf Abwegen
Als Botschafter in Berlin soll Andrzej Przyłębski, die Interessen Polens vertreten. Jetzt sitzt er tief in den Nesseln.
Doch immer wieder zog es den Wissenschaftler auch in die Diplomatie. Von 1996 bis 2001 war Przyłębski Botschaftsrat an der Botschaft Polens in Deutschland, danach Philosophie-Professor an der Technischen Universität Chemnitz, und seit dem Juli 2016 ist er nun wieder in Deutschland – diesmal als Botschafter Polens in Berlin. Doch als Diplomat legte Przyłębski nicht nur einen Fehlstart hin, indem er gleich als Erstes Journalisten, Verfassungsrichter, Politiker und Kinobetreiber für ihre angebliche Einmischung in polnische Angelegenheiten maßregelte.
Schlimmer noch war, dass er von der taz und der Berliner Zeitung die „Richtigstellung“ eines durchaus richtig wiedergegebenen Zitats verlangte. In einer internen Bewertung der bisherigen Arbeit und der Zielvorgaben des Polnischen Instituts in Berlin hatte er angemahnt, dass das Institut „es mit der Hervorhebung des polnisch-jüdischen Dialogs nicht übertreiben“ solle.
Kurz nach seiner Kritik an den Zielvorgaben des Polnischen Kulturinstituts in Berlin wurde Katarzyna Wielga-Skolimowska, die allseits geschätzte Instituts-Direktorin, fristlos entlassen. Eigentlich lief ihr Vertrag noch bis zum Sommer 2017.
Keine Solidarität mit Zygmunt Bauman
Ein offizieller Entlassungsgrund wurde nicht angegeben, und auch Botschafter Przyłębski stritt nur ab, dass seine Kritik etwas mit der Entlassung zu tun habe, ohne aber deutlich zu machen, worum es denn dann gehe.Es ist nicht das erste Mal, dass sich Przyłębski mit einer Äußerung zu einem jüdischen Thema tief in die Nesseln setzt. 2013 hatten Anhänger der rechtsradikalen Partei „Nationale Wiedergeburt Polens“ antisemitische und antikommunistische Parolen gegrölt, um den Vortrag des weltweit renommierten Soziologie-Professors Zygmunt Bauman an der Universität Breslau zu verhindern.
Statt sich auf die Seite des verunglimpften jüdischen Kollegen zu schlagen, verteidigte Przyłębski in einem Schreiben an die Fachzeitschrift Information Philosophie die angeblichen Studenten. Diese hätten, so Przyłębski, „mit Recht“ gegen Bauman protestiert. Schließlich sei Bauman nach dem Krieg ins KBW (Korps der inneren Sicherheit) eingetreten, einem, so Przyłębski, „SS-ähnlichen Einsatzkommando“.
Der ganze Text der Stellungnahme des Botschafters auf deutsch gibt es hier, in polnischer Sprache hier.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren