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Pornfilmfestival BerlinPolitischer Porno

Das Pornfilmfestival Berlin ermöglicht schon zum 14. Mal queerfeministische Perspektiven auf Fragen von Identität, Moral und Körpernormen.

„W/HOLE“: Szene aus dem ersten abendfüllenden Film des queer-feministische Pornokollektiv AORTA Foto: Pornfilmfestival

Das Pornografische bleibt politisch“, heißt es auf der Website des diesjährigen Pornfilmfestivals Berlin in Anlehnung an den Grundsatz der zweiten Frauenbewegung, wonach das Private politisch ist. Die Anspielung sitzt, denn der persönliche Pornokonsum gilt als etwas ausgesprochen Privates und ist zugleich immer wieder Gegenstand politischer Debatten, er wird oft als Verfallserscheinung mit pathologischen Folgen gedeutet.

Das Festival hingegen möchte queerfeministische Perspektiven auf Fragen von Identität, Moral und Körpernormen zeigen sowie einen künstlerisch-alternativen Umgang mit dem Genre Pornografie, der weit über die rein erotische Stimulanz hinausgeht. Podiumsdiskussionen, Vorträge, Workshops und die Ausstellung „Un_Real Desires“ (Un_Wirkliche Lüste) sollen die über 100 internationalen Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme rahmen und reflektieren.

Doch welchen politischen Weg schlägt das Festival ein? Die Revolution beziehungsweise die Reform von Pornoindustrie und -konsum oder einen Exodus, einen Rückzug ins gänzlich Andere und Gute?

„Weder noch“, meint Paulita Pappel, Mitorganisatorin und Kuratorin, der taz gegenüber. Ziel des Festivals sei zwar, den gesellschaftlichen Status quo zu verändern, in dem Porno (einer Verschwörungstheorie ähnlich) noch immer als böse, als voller Gewalt und als falsch gelte, „aber alternativer Porno ist nichts Brandneues. Auch in den 70er und 80er Jahren gab es tolle Frauen, die anspruchsvolle und feministische Pornografie gemacht haben“, erzählt Pappel.

Ab Dienstag: ein Festival rund um Porno

Das Pornfilmfestival Berlin mit über 100 Filmen findet bereits zum 14. Mal statt. Hauptlocations sind ab Dienstag, dem 22. Oktober, bis nächsten Sonntag das Moviemento am Kottbusser Damm, das Babylon Kreuzberg in der Dresdener Straße und das aquarium am Kotti. Am 26. Oktober steigt im Burg Schnabel am Schleusenufer eine Festivalparty, am 27. Oktober werden im Club Monarch am Kotti die Festivalpreise verliehen.

„Volunteers Wanted“: Im Festivalprogramm wird auch diese Produktion der feministischen Pornoproduzentin Erika Lust gezeigt, die während des Festivals im letzten Jahr entstanden ist und Berliner*innen und ihre Vorstellungen von Liebe und Sex zeigt. Weitere Infos unter www.pornfilmfestivalberlin.de. (sah)

Die Diversität feiern

Die kürzlich verstorbene Barbara Hammer sei ein gutes Beispiel dafür. Pappel, die selbst auch als Pornoproduzentin tätig ist, ergänzt, dass diese „Klassiker“ in einer eigenen und neuen Sektion des Festivals zur Geltung kommen sollen. „Wir dürfen im feministischen Diskurs nicht wertvolle Kontinuitäten verlieren und immer das Rad neu erfinden wollen. Unser Festival will die vorhandene Diversität feiern und ihr eine Plattform geben“, sagt Pappel.

Retrospektive statt Revolution also? Ein Blick ins Programm verrät, dass neben diesen Klassikern, witzigen Beiträgen („Fun Porn Shorts“) und dem Biografischen („Candice“; „Jonathan Agassi Saved My Life“) die ­revolutionäre Imagination durchaus ihren Platz im Festivalprogramm hat, und zwar nicht im Gegensatz zu, sondern in Verbindung mit einem Exodus aus überkommenen Strukturen.

„Die traurigen Mädchen aus den Bergen“, der aktuelle Film der Berliner*innen Candy Flip und Theo Meow, der zum Festivalabschluss laufen wird, ist beispielhaft dafür. Vier junge Frauen ziehen sich darin in eine Berghütte zurück, um der Welt den Rücken zu kehren. Sie zelebrieren dort „ihre eigene Traurigkeit als Akt des Widerstands gegen das Patriarchat“, wie es im Teaser heißt. Ihren Lebensunterhalt erwirtschaften sich die Aussteigerinnen durch selbst gemachte Pornos, die sie im Netz verkaufen. Und sie machen Revolution, denn mit den Überschüssen aus ihrer Pornoproduktion unterstützen sie kurdische Frauenmilizen beim Ankauf von Waffen.

Durch die patriarchale „Welt“ unangefochten bleibt dieser feministische Mikrokosmos freilich nicht. Es ist der Fernsehreporter Hendrik, der beim Versuch, die Utopie der „traurigen Mädchen“ zu dokumentieren, dieselbe aus den Fugen bringt. Gespiegelt wird der Plot von „Die traurigen Mädchen aus den Bergen“ in seinen Produktionsbedingungen, denn den Macher*innen zufolge wurde der Langfilm durch Sexarbeit finanziert und konnte so den kommerziellen Konventionen der Branche den Rücken kehren.

Kämpferische Kurzfilme

Szene aus einem Film aus Brasilien um den Wettbewerb zur Wahl des „Mr. Leather Brazil“ Foto: Pornfilmfestival

Kämpferisch kommen auch die Kurzfilme daher, die am Donnerstag in der Sektion „Political Porn Shorts“ zu sehen sind. Neben Produktionen wie „I Have Mike Pence’s Dick in a ­Pickle Jar. Want to See It?“, in dem sich Charles Lum und Todd Verow mit dem rechtskonservativen und offen homophoben Vizepräsidenten der USA auseinandersetzen, wird hier in „Riot Not Diet“ auch taz-Kolumnistin Hengameh Yaghoobifarah im schwesterlichen Kampf gegen neoliberale Selbstoptimierungszwänge zu sehen sein.

In der Tradition feministischer Vorkämpfer*innen macht das deutschlandweit einzigartige Berliner Pornfilmfestival das Pornografische politisch, neben seiner Plattformfunktion und widerständigen Inhalten schon allein dadurch, dass es ermöglicht, Porno nicht vereinzelt im Privaten, sondern gemeinsam im offenen Raum der Festivalkinos zu sehen.

„Ab 18 Jahren sind alle Zielgruppen angesprochen“, erklärte Kuratorin Paulita Pappel der taz.

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