Pop: Der Sommerhit ist da!
Die beste Platte der Saison: "Robyn" von Robyn. Dafür gibt es die Repeatfunktion.
O h mein Gott, dass es so etwas noch gibt. Einen Song, für den die Repeatfunktion geboren wurde. Der einem die Unterarmhärchen aufstellt und die Augen schwimmen lässt. Ein Stück Musik, das irgendein Organ in der Herzgegend so groß werden lässt, dass es sich fast schmerzhaft gegen die Rippen drückt. Eine richtig waschechte Pop-Perle.
Die Briten haben das Wunder von "With Every Heartbeat" wieder eher begriffen - und es gleich in der ersten Woche auf Platz 5 der Single-Charts gekauft. In den iTunes-Downloadcharts liegt es da sogar schon auf Platz 2. Das englische Internetmagazin "Popjustice" wird nicht müde, seine Leser dazu anzuhalten, das Stück auf Platz 1 zu hieven.
Und wünschenswert wäre das für die Sängerin Robyn, eine Schwedin, die mit ihren 28 Jahren schon an einem Punkt ihrer Karriere steht, den man als Markt-Wiedereintritt bezeichnen kann. Vor zehn Jahren nämlich war sie mit "Show Me Love", produziert von Britney-Spears-Hit-Macher Max Martin, schon einmal kurz ein internationaler Hitparaden-Star und veröffentlichte immerhin drei Alben bei Major-Plattenfirmen (kam übrigens auch in Lukas Moodyssons schönem Film "Fucking Åmål" vor, im englischsprachigen Raum hieß der Film sogar nach dem Stück).
Aber bald schon fühlte sie sich in x-beliebige R-n-B-Schablönchen gepresst - "Ich habe diese Situation einfach nur gehasst" - und zog 2003 von den USA zurück nach Stockholm. Machte mit den Geschwistern Karin und Olof Dreijer (The Knife) das auch gute Stück "Whos That Girl". Bekam vom Label einen Korb dafür - und hatte die Schnauze endgültig voll. Robin Miriam Carlsson kaufte sich aus ihrem Vertrag heraus und nahm dann ihr erstes richtig eigenes Album auf. In Schweden kann man das schon seit zwei Jahren kaufen, in Deutschland und England wurde es erst jetzt veröffentlicht.
"Robyn" präsentiert die liebenswerteste Mainstream-Mucke der Saison. Beats zwischen Hiphop, RnB, Eurodance und Eighties-Pop, dicke Bässe, zwirbelnde Synthies, Akustikgitarren, Rasseln, Handclaps und dazu ihr itchybitchy Stimmchen, das schicke Refrains raushaut: "My style is di bom digi bom di deng di deng digigi." Oh, macht das Spaß! Das ist verspielt und in den Texten auch immer schön contra die ewiggleichen Frauenrollen im Popgeschäft. Klingt mal nach Peaches, mal nach Madonna, mal nach Prince, mal nach Sabrina ("Boys", 1987). Vier veritable Hits sind dabei.
Und im Fall von "With Every Heartbeat" auch ein gerüttelt Maß an Top-Traurigkeit. Da singt Robyn davon, dass mans immer wieder probiert, aber sich die Dinge trotzdem nie ändern, dass man deswegen besser nicht zurückblickt und immer schön einen Schritt vor den anderen setzt. Was für eine Dramaturgie: Die Strophe ein einziges großes Trance-Intro, mit drängender, aber noch verhaltener Bassdrum und ephemeren Synthie-Flächen. Dann die Bridge: nur die Streicher, die Vorhut eines ganz großen Finales, das dann sehr bemerkenswert daherkommt. Zehn Mal, fünfzehn Mal wiederholt Robyn die Textzeile "And it hurts with every heartbeat", dazu perlen wundervollste Synthie-Arpeggios. Und cest ça. Es ist aus. Viel zu früh, viel zu wenig ausbuchstabiert, mit immer noch so viel uneingelöstem Schönheits-, Schmacht- und Glücksversprechen. Da tut einem das Herz in der Brust weh und man muss das Stück noch mal hören. Und noch mal. Für Zwischendurch sei noch das Video zum Stück empfohlen, das sich bei YouTube anschauen lässt. Darin läuft Robyn rückwärts in sehr spitzen Lederschnürschuhen und wird am Ende von über ihr einstürzenden Holzbausteinen erschlagen. Auch das ist sehr traurig.
Robyn: "Robyn" (Konichiwa Records/Ministry of Sounds)
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