Pop-up-Radwege selbst gemacht: Stadt stellt Strafanzeige
Zwei Aktivistinnen haben in Schleswig Pop-up-Radwege mit der Sprühdose angelegt – und eine Strafanzeige wegen Sachbeschädigung kassiert.
In einer nächtlichen Aktion sprühten die Grüne Dorothee Tams und die Autorin Marlies Jensen-Leier stilisierte Fahrräder und Pfeile auf Gehwege und Straßen. „Ein bisschen subversiv“ hätte sie sich bei der Aktion gefühlt, sagte Jensen-Leier der Lokalzeitung. Dabei gingen sie eher offen vor, meldeten sich am nächsten Morgen bei der Presse und bei der Stadtverwaltung.
„Es geht uns ums Klima, jemand muss endlich etwas tun“, sagt Tams der taz. „Die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens beginnt hier in der Stadt.“ Dass ihre Ratskolleg*innen „das nicht kapieren wollen, macht mich wütend“, sagt die Grüne, die betont, dass die anderen Fraktionsmitglieder nicht in die Pläne eingeweiht waren.
Denn die Striche auf den Gehsteigen haben juristische Folgen: So positiv die Reaktionen in sozialen Netzwerken und in der eigenen Partei waren, die Stadt reagierte mit einer Strafanzeige: „Das mussten wir“, sagt Rathaussprecher Eric Gehrke. Denn durch die „arge Sachbeschädigung“ seien Kosten entstanden, weil die städtischen Umweltdienste „richtig lange arbeiten mussten“, um die Farbe vom Pflaster zu bekommen. Zudem geht es aus Sicht der Stadt um Eingriffe in den Straßenverkehr: „Verkehrsteilnehmer hätten denken können, die Linien stammten von einer städtischen Behörde.“
Dorothee Tams, grüne Ratsfrau in Schleswig
Tams kann über diese Argumente nur den Kopf schütteln. Erstens sähen die roten und grünen Markierungen keinesfalls amtlich aus, zweitens habe es bei der angeblich so schwer zu entfernenden Farbe um eine wasserlösliche Sprühkreide gehandelt: „Die Nachbarjungs haben sie mit einem Kinderbesen und einem Eimer Wasser von der Straße geschrubbt. Wir hätten die Markierungen selbst wieder entfernt, wenn die Stadt uns Bescheid gesagt hätte.“ Und die Sicherheit im Straßenverkehr sei eher verbessert worden: „Wir haben ein paar Symbole auf einen breiten Fußweg gemalt, um die Situation zu entschärfen.“ Ihre Markierungen brachten die beiden Frauen unter anderem an einer Stelle an, an der heute der Radweg abrupt an einem Parkstreifen endet.
Die Schleswiger Aktion hat Vorbilder: Pop-up-Radwege entstanden zuerst in den USA, weitere Staaten folgten. In Berlin ließ der Senat im April gelbe Markierungen auf einige Straßen zeichnen, die aber wegen Klagen dagegen zunächst bis Jahresende befristet sind. In Hamburg entstand im Stadtteil Eimsbüttel im September die erste zeitweilige Radspur, weitere sollen folgen.
Das Ziel in den Großstädten ist, das Radfahren zu erleichtern, um während der Coronapandemie das Gedränge in Bussen und Bahnen zu verringern. In Schleswig geht es weniger um die Entlastung der Busse, sondern mehr um Raum fürs Rad. Nach dem Beschluss, die Stadt fahrradfreundlich zu gestalten, sei kaum etwas passiert, kritisieren Tams und Jensen-Leier: „Es gibt einen Runden Tisch, der aber nur wenig getagt hat“, sagt die Grünen-Ratsfrau.
Stadtsprecher Gehrke erklärt den Grund: „Seit einem Jahr ist die Stelle des Verkehrsplaners unbesetzt. Es ist die Frage, wie sinnvoll ein solcher Arbeitskreis tagen kann, wenn die Person aus der Verwaltung fehlt, die die Dinge umsetzen kann.“ Hinzu käme die Coronapandemie: „Treffen sind zurzeit nicht so leicht umzusetzen.“ Dennoch seien für das kommende Jahr rund 300.000 Euro in den Haushalt für Radwege und Markierungen eingestellt. „Das war Dorothee Tams als Ratsfrau bekannt“, sagt Gehrke.
Die steht zu ihrer Aktion und ist „bereit, die Konsequenzen tragen – aber nicht aus dem Rat auszuscheiden“, wie CDU-Ratsmitglieder gefordert hatten. Auch Marlies Jensen-Leier will weitermachen: „Damit auch unsere Nachkommen noch eine lebbare Welt vorfinden.“
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