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Pop, komm raus...Aufgebrezelte Musikarbeiter

■ Popkomm-clubbing: Gehen wir zur Hamburger Schule oder ins elektronische Planschbecken?

Was haben wir gelacht. Damals, in der Nachtbar des Hyatt Hotels. Oder an jenem Tag, an dem The Big Gorny zum ersten Mal im NRW-Wirtschaftsministerium aufkreuzte. „Launige Bonmots und spaßige Erinnerungen durchzogen die traditionelle Popkomm-Eröffnungspressekonferenz im Jubiläumsjahr“, wußte das tägliche Popkomm- Magazin in seiner ersten Ausgabe am Eröffnungstag zu berichten, und sorgte damit auf dem Podium der eigentlichen Eröffnungskonferenz am Donnerstag für leichte Irritation. War man in eine Zeitschlaufe geraten? Oder war die Zukunft schon gestern? Haha!

Zwar bezog sich besagte Bemerkung im offiziellen Messe- Magazin auf eine Veranstaltung, die am Vortag stattgefunden hatte. Aber sie hätte auch gut und gerne den Empfang vorhersagen können, mit dem die diesjährige, zehnte, weltgrößte und multimedialste aller europäischen Pop- Messen endgültig eingeläutet wurde.

Im Talkshow-Stil als „Abend voller Anekdoten“ arrangiert, klopften sich da die diversen Erfolgsmacher aufgeräumt auf die Schenkel und gegenseitig auf die Schulter, im Akt einer gemeinsamen Selbstbestätigung. Wobei die Qualität der angepriesenen „Anekdoten“, man muß es sagen, den Glanz des Events doch etwas schmälerte und den Branchentreff bedenklich in die Nähe eines Betriebsfests der örtlichen Kreiskrankenkasse rückte. Was ist schon ein Hausverbot im Hyatt? Von Vertretern internationaler Unterhaltungskonzerne erwartet man doch etwas mehr Glamour und Exzesse! Da halfen auch die eingestreuten Filmtrailer nichts, welche – hektisch, laut und völlig inhaltsleer – die vergangenen zehn Popkomm-Jahre in geraffter Kürze, aber doch völlig treffend wiedergaben.

Vielleicht ein bißchen angestrengt wirkte die demonstrative Bekundung guter Laune vor dem Hintergrund rückgängiger Umsatzzahlen auf dem Tonträgermarkt. Aber letztlich war der Auftakt im Jubiläumsjahr Business as usual. Als Pausenclown war diesmal Kinks-Kopf Ray Davies geladen, unplugged; und playback dann die unverwüstliche Nina Hagen, immer noch das schillerndste Zirkuspferd im deutschen Popstall. Mit rollendem Rrr prophezeite sie in ihrem neuen Milennium-Rap die drohende Apokalypse und brachte dann Flugschriften für Naturmedizin unters Volk. So much for the Inhalte.

Die ersten Ermüdungserscheinungen angesichts des alljährlichen Popkomm-Rummels setzen bei geübten Fachbesuchern ja meist schon vor dem allgemeinen Eröffnungsblabla, ja schon Wochen vor dem Messestart ein, und diese Prä-Event-Ermattung weicht erst allmählich, im Zuge der allgemeinen Aufgebrezeltheit vor Ort, einer freundlicheren Gestimmtheit.

Manchmal aber auch nicht: Es soll sogar Kollegen geben, die abends gar nicht mehr auf eines der vielen Konzerte gehen! Der Fachbesucher kommt ja ohnehin weniger der „Showcases“ als des „Socialising“ wegen nach Köln. Im Unterschied zum Popkomm- Touristen, der seine Zeit vorwiegend mit Partyplanung verbringt: Der deutsch-französische HipHop-Clash zum Auftakt? Zum Geburtstagsfest der Hamburger Schule? Ins Müngersdorfer Schwimmbad, ins elektronische Planschbecken?

Für Liebhaber abseitiger Genres wie „Weltmusik“ ist die Auswahl auf der Popkomm natürlich nicht so groß, da ist man selbst Exot. Nur der Kölner Stadtgarten hält traditionell die Stellung in diesem „Segment“ und bietet „Acts“ auf, die, um in der Terminologie zu bleiben, einen vergleichsweise niedrigen Hipness- Faktor, aber einen hohen Unterhaltungswert aufweisen. Dieses Mal mit Habib Koit und Rokia Traor, ein gediegenes Singer/ Songwriter-Doppel aus Mali, das mit einer in Zeiten der Popkomm äußerst knappen Ressource wucherte: Ruhe und Reduktion. Der eigentliche Star des Abends jedoch war der Mann, der, zum orientalischen Takt der heimischen Schäl Sick Brass Band ein Glas Kölsch auf dem Kopf balancierend, freihändig mit den Hüften wackelte. Das muß ich auch üben. Zumindest für spätere Anekdoten. Daniel Bax

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