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Poller-Protest in HamburgSolidarität mit dem Sitzfleisch

Wegen „Lärmbelästigung und starken Alkoholkonsums“ sind in St. Georg Sitzgelegenheiten abgeschafft worden. Nun gibt es wieder Sitzpolster.

Nicht hässlich, diese Kugeln, Aber darauf sitzen? Foto: Christian Diesener

Hamburg taz | „Defensive Architektur“: Das klingt beinahe harmlos. Gemeint ist damit aber, was sich Verantwortliche in den Verwaltungen so mancher Stadt einfallen lassen – um Menschen zu vertreiben. Oder genauer: ihnen den Aufenthalt möglichst unangenehm zu machen.

Weit über die Stadt- und sogar Landesgrenzen hinaus bekannt wurden vor ein paar Jahren etwa die Spikes, also Stacheln, mit denen das Schlafen oder auch bloß Lagern in manchen Londoner Hauseingängen verunmöglicht werden sollte. Subtiler – und „Architektur“ nur im weiteren Sinne – scheint dagegen die Dauerberieselung mit klassischer Musik am Hamburger Hauptbahnhof.

Hier wie da geht es aber, kaum überraschend, um beziehungsweise gegen Menschen, die in den Städten nicht oder nicht genug Geld lassen. Und wenn sie doch konsumieren, dann das Falsche: Alkohol oder andere Rauschmittel. Nehmen wir den Hansaplatz in Hamburg-St. Georg, eigentlich noch in Hörweite der Anti-Bettler:innen-Bahnhofsbeschallung: Von „Beschwerden wegen Lärmbelästigung und starken Alkoholkonsums“ berichtete da im März eine Behördensprecherin, und die Schuldigen waren demnach Menschen, die dort irgendwelche Poller wortwörtlich besetzten, nämlich mit dem Hintern drauf. Was tat also der Bezirk Hamburg-Mitte? Verpasste den rund 25 dieser Poller oben drauf eine Stahlkugel, die das Sitzen denkbar erschwert.

Kritik gab es daran auch damals schon. An diesem Wochenende nun wird die ganz handfest: Runde Polster aus Recyclingkunststoff verleiht am Sonntag der Verein VOB Hansaplatz – „damit Menschen künftig trotz der Po-Kugeln auf den Pollern wieder bequem Platz nehmen können“. Gestaltet hat die Po-Polster der Designer und freie Künstler Oliver Paul Simon, beschriftet sind sie mit den Namen solidarischer Gruppen und Initiativen.

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3 Kommentare

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  • Ich weiß nicht in wie weit die defensive architektur was ausrichten würde, aber ein versuch wärs wert um die situation am frankfurter hbf zu verbessern.

  • Gute Idee mit den Polstern, allerdings werden die wohl bei Wind und Wetter nicht lange ansehnlich bleiben. Alternativ kann man auch einfach einen Inbus-Satz mitnehmen. :P

    (Die Kugel kann man ja wenn man geht wieder draufschrauben.)

  • Letztlich vergraulen diese "Maßnahmen" die (noch) sehr, sehr zahlungskräftige Schicht der Senioren.



    In Innenstädten, die nicht zum Verweilen einladen, in denen öff. Toiletten Mangelware sind kommerzielle Cafehäuser hingegen wie Unkrauft wild wuchern fühlen sich viele Senioren nicht mehr wohl.

    Denn nicht nur der Füllgrad des Portemonnaies bestimmt den Kaffeedurst - sondern auch der Füllgrad der Blase.

    Den Unterschied merkt man insbesondere, wenn man Städte in Touristengegenden besucht. - viele Bänke, häufig um Bäume herum platziert. Blumenkübel links und rechts, gelegendlich Brunnen oder Wasserspender ... das Bild einer innerstädischen Idylle.

    Ganz anders dagegen in vielen Städten "im Westen":

    Bochum:



    commons.wikimedia....nd_Drehscheibe.jpg



    Kein Fleckchen grün, keine einzige Bank... Betonwüste soweit das Auge reicht.

    Dortmund: Das gleiche Bild.



    upload.wikimedia.o...6/Dortmund_006.jpg

    Essen: Zumindest ein Bäumchen ...



    upload.wikimedia.o...andelshof_2014.jpg

    Münster: Eine Kopfsteinpflaserwüste



    upload.wikimedia.o...-_2017_--_6891.jpg

    Und hier mal zum Vergleich:

    Konstanz: Zumindest hier und da eine Bank:



    upload.wikimedia.o...im_August_2016.jpg



    upload.wikimedia.o...nz_Landratsamt.jpg

    Trier: Dort möchte man sein !



    upload.wikimedia.o...Kornmarkt_BW_2.JPG