Polizeistrategie in der Rigaer 94: Heimliches Schuldeingeständnis
Die Polizei will den Hausverwalter der Rigaer 94 nicht mehr ins Haus begleiten. Anscheinend weiß sie, dass sie zuletzt rechtswidrig gehandelt hat.
E s ist eine Nachricht, die überrascht: Die Berliner Polizei will sich künftig an Recht und Gesetz halten. Zumindest in Bezug auf ihr Handeln in der Rigaer Straße hatte sie es damit in letzter Zeit nicht so genau genommen. Nun aber kündigt sie an, den umstrittenen Hausverwalter des Gebäudes nicht mehr zu begleiten, wenn er das umkämpfte Haus mit der Nummer 94 betreten will. Die neue Linie kann durchaus als Eingeständnis gewertet werden, dass sie mit ihrem Vorgehen zuletzt rechtsstaatliche Prinzipien verletzte.
Zur Erinnerung: Im Rahmen der Vollstreckung rechtlich nicht zu beanstandender Durchsuchungsbeschlüsse gegen zwei Hausbewohner hatte die Polizei vor anderthalb Wochen dem neuen Hausverwalter den Weg ins Gebäude geebnet und sich damit über eine gültige Entscheidung des Landgerichts hinweggesetzt.
Im Juni 2019 hatte das Gericht die rechtmäßige Bestellung des Geschäftsführers der Eigentümergesellschaft der Rigaer 94 bestritten und ihm damit auch das Recht abgesprochen, eine Hausverwaltung oder auch nur einen Anwalt zu bestellen. Obwohl keine neuen Beweise für eine ordnungsgemäße Führung der Briefkastenfirma vorgelegt wurden, hatte die Polizei den neuen Verwalter eigenmächtig akzeptiert.
Wäre das allein nicht schon problematisch genug, wüteten dann auch noch Bauarbeiter und Security im Haus, etwa indem sie ein Loch in die Decke einer regulär bewohnten Wohnung schlugen. Die allgemeine Aufregung über das polizeilich abgesicherte Agieren der sich als Hooligans gerierenden Truppe hielt sich in Grenzen. Schließlich gelten die betroffenen Bewohner*innen ja auch nicht gerade als ausgemachte Freunde des Rechtsstaats. Dabei beweist sich derselbige genau daran, wie er mit seinen Gegner*innen umgeht. Wer Rechtsbrüche der Polizei akzeptiert, nur weil es „die Richtigen“ trifft, hat Grundsätzliches nicht verstanden.
Die mediale und öffentliche Zurückhaltung ermöglichte es der Polizei und der Innenbehörde, sich kritischen Fragen etwa der taz nicht zu stellen; entsprechende Anfragen wurden nicht oder ausweichend beantwortet. Ganz offensichtlich hat die Polizei keine akzeptable Antwort darauf gefunden, warum sie mit den strittigen Eigentümervertretern kooperierte. Es darf aber durchaus als Schuldeingeständnis gewertet werden, wenn sie ihre künftige Zurückhaltung nun mit dem „Neutralitätsgebot“ und dem Hinweis auf „zivilrechtliche Streitigkeiten“ zwischen Bewohner*innen und Eigentümer erklärt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Lateinamerika und Syrien
Assads Freunde
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse