piwik no script img

„Polizeiruf 110“ aus MagdeburgTransfrau im Mittelpunkt

Hat Paul Schilling 2012 eine Frau umgebracht? Und hat Pauline Schilling nun wieder zugeschlagen? Ein Krimi, der erstaunlich viel richtig macht.

Gern genommenes Krimi-Setting: Brasch (l.) und Köhler in einer Industriebrache Foto: Stefan Erhard/MDR

Scheide, Muschi, Pussy, Vulva – nein, auch Hauptkommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) kennt kein „schönes Wort“ für das weibliche Geschlecht. Danach gefragt hatte Pauline Schilling (Alessija Lause). Die Hauptverdächtige in dem Mordfall, an dem Brasch und ihr Kollege Dirk Köhler (Matthias Matschke) im Magdeburger „Polizeiruf“ gerade arbeiten.

Schilling war schon mal in einen Mordfall verwickelt. 2012. Damals noch als Hauptverdächtiger. Damals noch als Paul. „Kann sich heute ja jeder aussuchen, was er sein will“, sagt Kripo-Chef Uwe Lemp (Felix Vörtler), „hat die Oma eben das blaue Mützchen umsonst gestrickt.“

Schilling hatte damals die Tat sogar gestanden, allerdings erst nachdem ein paar harte Jungs sie auf der Wache erst die Treppe runter- und dann wieder raufgeschubst hatten. Das Geständnis war nichts wert. Im Gegenteil. Verfahrensfehler. Sie kam frei. Und diesmal?

Vor der Folie der Mord­ermittlungen behandelt der Film Paulines Leben als Transperson. Es geht um Gesetze, um Geschlechtsangleichungen, um eine Ärztin, die womöglich recht freigiebig das Okay zu solchen geschlechtsangleichenden Maßnahmen gibt und darauf angesprochen kühl antwortet: „Na und? Zu Jesus kamen auch immer die, die sonst keiner wollte.“

Der Wochenendkrimi

Magdeburg-„Polizeiruf 110“: „Zehn Rosen“, So., 20.15 Uhr, ARD

Sanfte und zugleich brutale Rückblenden

Und es geht in Rückblenden um Pauline Schillings Leben in Zerrissenheit, im Dazwischen. Wie Paul sich damals den BH anzieht, das Kleid, die Strümpfe überstreift, dazu die hochhackigen Schuhe und im Hintergrund das wirklich schöne Lied „Courage“ der irischen Band Villagers läuft: „It took a little time to get where I wanted; It took a little time to get free; It took a little time to be honest; It took a little time to be me.“ Es hat ein bisschen Zeit gekostet, dahin zu kommen, wo ich hinwollte, frei zu sein, ehrlich zu sein, ich zu sein. Und dann kommt Schillings Frau rein, sieht ihn, schreit ihn an, „Du hast es mir versprochen!“, und prügelt auf Schilling ein.

Sanfte und zugleich brutale Szenen sind das, die diese Zerrissenheit spürbar machen.

Und jetzt wird Schilling auch noch des zweiten Mordes verdächtigt. „Ihr Leben wäre einfacher, wenn Sie ein Alibi hätten“, sagt Ermittler Köhler zu ihr, „nicht einfach, aber einfacher, das bestimmt.“

Der „Polizeiruf 110“ scheint vieles richtig zu machen. Das Einzige, was irritiert, ist die Besetzung: Warum ist keine der Transpersonen im Film tatsächlich mit einer Transperson besetzt worden?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • „Warum ist keine der Transpersonen im Film tatsächlich mit einer Transperson besetzt worden?“

    Und warum sind die KommissarInnen nicht mit echten KommissarInnen besetzt und die MörderInnen nicht mit echten MörderInnen? They don't call it "schauspielern" for nothing. Langsam wird's pathologisch.

  • „Warum ist keine der Transpersonen im Film tatsächlich mit einer Transperson besetzt worden?“

    Wer weiß denn schon genau, ob das wirklich so ist? Ein kleines bißchen Fantasie darf man vom Zuschauer doch heute schließlich auch mal erwarten - oder? (;-))