Polizeikosten bei Fußballspielen: „Das muss die DFL bezahlen“
Das Land Bremen schickt in der nächsten Woche die erste Rechnung an die Bundesliga. Innensenator Ulrich Mäurer erklärt warum.
taz: Herr Mäurer, seit November hat Bremen als einziges Bundesland ein Gesetz, das es erlaubt, Polizeikosten dem Veranstalter von Fußballspielen in Rechnung zu stellen. Wie oft haben Sie davon Gebrauch gemacht.
Ulrich Mäurer: Nächste Woche schicken wir den ersten Gebührenbescheid an die Deutsche Fußballliga (DFL). Es geht um das Spiel Werder Bremen gegen HSV vom 19. April. Dafür stellen wir rund 425.000 Euro in Rechnung. Ein zweiter Gebührenbescheid wird für das Spiel Werder gegen Mönchengladbach vom 16. Mai folgen, da berechnen wir noch die Kosten.
Warum verlangen Sie gerade für diese Spiele Kostenersatz?
Das Gesetz sieht vor, dass wir nur für sogenannte Risikospiele die polizeilichen Mehrkosten verlangen. Das sind Spiele, bei denen mit Gewalttätigkeiten der Fans zu rechnen ist.
Wer entscheidet das?
Alle Akteure setzen sich vorher mit der Polizei zusammen und entscheiden gemeinsam, ob es ein Risikospiel wird oder nicht. Während normalerweise 150 Beamte vor Ort genügen, waren bei Bremen-HSV 969 Polizisten im Einsatz, zusätzlich zu den Ordnern des Vereins.
Wie berechnen Sie die Kosten?
Für das HSV-Spiel hatten wir Gesamtkosten von rund 500.000 Euro. Davon ziehen wir die eines durchschnittlichen Heimspiels von rund 75.000 Euro ab. Den Rest muss die DFL bezahlen.
64, ist seit 2008 der Senator für Inneres und Sport in Bremen. Der Jurist mit SPD-Parteibuch arbeitete zuvor in der Verwaltung. Seit Frühjahr 2015 plant er eine nationale Präventionsstrategie gegen den gewaltbereiten Islamismus.
Was fließt alles in die 500.000 Euro ein?
Als Unterstützung hatten wir an diesem Wochenende über 600 Polizisten aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Hessen und vom Bund bei uns. Dafür fielen rund 215.000 Euro Personalkosten an, die wir den Ländern und dem Bund erstatten. Enthalten sind 15.000 Euro Übernachtungskosten für je zwei Nächte im Zwei-Sterne-Hotel. Der Rest sind reguläre Kosten für die eingesetzten Bremer Beamten.
Gilt diese Regelung nur für Fußballspiele?
Nein. Die Formulierung ist offen. Es muss eine gewinnorientierte Veranstaltung mit über 5.000 Teilnehmern sein, bei der wegen zu erwartender Gewalttätigkeiten zusätzliche Polizeikosten entstehen. Bisher betraf dies aber nur die zwei erwähnten Spiele.
Die DFL hat eine Klage angekündigt. Glauben Sie, dass Bremen am Ende Erfolg hat?
Ja, da bin ich ganz sicher. Bei der Formulierung des Gesetzes haben mehrere ehemalige Bremer Gerichtspräsidenten mitgewirkt – ehrenamtlich. Wir haben an jedem Wort tagelang gefeilt, damit alle wesentlichen Fragen im Gesetz geregelt sind.
Vereine und Liga sind gegen Fangewalt, jetzt sollen sie dafür noch bezahlen. Ist das richtig?
Wir machen den Vereinen und der Liga keinen Vorwurf. Wir haben daher darauf verzichtet, die Liga als „Zweckveranlasser“ nach Polizeirecht zur Verantwortung zu ziehen. Stattdessen haben wir eine neue gesetzlich geregelte Gebühr für kommerzielle Veranstaltungen eingeführt. Das finden die Leute durchaus gerecht. In Umfragen sind 75 Prozent der Befragten dafür, dass die Bundesliga sich an den Polizeikosten beteiligt.
Die Bundesliga-Vereine zahlen schon 600 Millionen Euro Steuern im Jahr. Reicht das nicht?
Wer Steuern zahlt, muss für konkrete Leistungen dennoch Gebühren zahlen. Nur ein Beispiel: Wenn ein Unternehmen auf der Autobahn große Windräder an die Nordsee transportiert, verlangen wir für die Sicherung des Transports auch Gebühren.
Warum verlangen Sie das Geld von der DFL und nicht von Werder Bremen?
Weil wir rechtlich überzeugt sind, dass die DFL der eigentliche Veranstalter ist. Im übrigen hat die Bundesliga einen Jahresumsatz von 2,6 Milliarden Euro. Da sind die von uns berechneten Polizeikosten ein Klacks. Außerdem wollen wir nicht, dass Werder Bremen einen Nachteil gegenüber anderen Vereinen hat, bei denen bisher noch keine Polizeikosten abgerechnet werden.
Die DFL will sich das Geld, falls ihre Klage erfolglos bleibt, von Werder wiederholen …
Grundsätzlich gilt: Wir machen nichts gegen Werder. Allerdings gehen wir davon aus, dass die anderen Bundesländer bald dem Bremer Beispiel folgen werden, wenn die DFL-Klage gegen uns abgelehnt wird. Dafür werden schon die Rechnungshöfe der Länder sorgen.
Ist die Polizeikostenregelung vor allem ein Symbol, dass Bremen nichts unversucht lässt, seine Einnahmen zu erhöhen? Immerhin wird derzeit der Länderfinanzausgleich neu verhandelt.
Wir müssen unsere Einnahmen erhöhen, das ist keine symbolische Frage. Aber natürlich freuen wir uns, wenn die anderen Länder zur Kenntnis nehmen, welche Anstrengungen wir unternehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr