Polizeigewalt in Kenia: Brutalität, Willkür und Korruption

In Polizeigewahrsam verschwunden, später gefesselt und tot aufgefunden: Der Mord an einem Anwalt rüttelt das Land auf, aber die Angst bleibt.

Mehrere Menschen demonstrieren gegen Polizeigewalt

In Nairobi: Proteste gegen die anhaltende Polizeigewalt in Kenia Foto: dpa

NAIROBI taz | Wütend und schockiert reagiert Kenia auf den Mord an dem 32-jährigen Menschenrechtsanwalt Willie Kimani. Seine Leiche und die eines seiner Mandanten wie auch die seines Taxifahrers wurden vergangene Woche nach tagelanger Suche in einem Fluss gefunden. Landesweit gingen am Montag Oppositionsaktivisten und Juristen auf die Straße, um gegen „außergerichtliche Tötungen“ zu demonstrieren. In der Hauptstadt Nairobi marschierten mehrere hundert Menschen mit einem Sarg durch die Straßen. Inzwischen sind drei Polizisten festgenommen worden, unter Verdacht, die Täter zu sein. Sie kamen am Montag in Untersuchungshaft.

Kimani, sein Mandant Josephat Mwenda und sein Fahrer Joseph Muiruri und die zwei anderen verschwanden am 23. Juni, kurz nachdem sie in Machakos aus einem Gerichtsgebäude kamen. Dort war Mwendas Klage gegen die Polizei angehört worden. Der Mann war voriges Jahr verwundet worden, als ein Polizist ihn bei einer Verkehrskontrolle anschoss; als er Klage erhob, wurde er selbst angeklagt.

Eine Woche nach ihrem Verschwinden wurden die drei tot aufgefunden. Hände und Füße der Opfer waren gefesselt. Angehörige glauben, dass sie gefoltert wurden, bevor sie starben. Die Leichen sollen jetzt obduziert werden. Die verhafteten Polizisten hatten Dienst in einem Polizei­lager, wohin die drei vermutlich gebracht worden waren. Es sind dort zwei Zettel gefunden mit der Aufschrift: „Wir sind in Gefahr. Rufe diese Nummer an.“ Die Nummer ist die des Handys von Kimanis Ehefrau.

Der Chef der kenianischen Juristenvereinigung, Isaac Okero, ist erschüttert. „Der Mord deutet darauf hin, dass Anwälte jetzt wegen ihrer Arbeit zur Zielscheibe werden. Rechtsstaatlichkeit wird bedroht, wenn die Wächter des Rechts ihr Leben riskieren. Dann muss jeder Kenianer Angst haben.“

Kenianer versuchen, der Polizei aus dem Weg zu gehen

Die Polizei hat einen sehr schlechten Ruf in Kenia. Die Beziehungen zwischen Bevölkerung und Polizisten ist eine unbehagliche. Die Polizei wird oft der Brutalität, der Willkür und Korruption sowie außergerichtlicher Tötungen beschuldigt. Im Mai wurde in Nairobi ein Geschäftsmann getötet, der die Regierung verklagt hatte. 2012 und 2013 wurden in der Hafenstadt Mombasa zwei Imame umgebracht. 2009 wurde ein Menschenrechtsaktivist ermordet. Bei all diesen Tötungen gibt es Vermutungen, dass die Polizei hinter den Tötungen steckt, und in keinem der Fälle ist jemals jemand verhaftet worden.

Diese Fälle werden immerhin bekannt, doch was in Kenia selten Schlagzeilen macht, sind die Dutzenden von jungen Männer in Armenvierteln, die durch die Polizei getötet werden. Die Behörden sagen immer, es gehe um Verbrecher oder Extremisten, aber Menschenrechtsorganisationen bezweifeln das.

Isaac Okero

„Wenn die Wächter des Rechts ihr Leben riskieren, muss jeder Angst haben“

Erst neulich gestand ein Polizeisprecher, dass die Öffentlichkeit sich vor engen Beziehungen zwischen Polizei und Kriminellen fürchtet. Kenianer versuchen, der Polizei so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Selbst die Verkehrspolizei hat den Ruf, nicht für Ordnung auf den Straßen zu sorgen, sondern große Summen Schmiergelder zu kassieren.

Vor Kurzem wurden weltweit Bilder gezeigt, wie ein Polizist bei einer Oppositionsdemonstra­tion für eine Reform der Wahlkommission einen auf den Boden liegenden Demonstranten unaufhörlich gegen den Rücken und den Kopf tritt. Vier andere Demonstranten wurden von der Polizei erschossen. Und im Vorlauf auf die Wahlen nächstes Jahr fürchten Kenianer noch mehr Polizeibrutalität.

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