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Polizeigewalt in DeutschlandHandschellen zum Ramadan

Ein eskalierter Polizeieinsatz in Offenbach sorgt für ein Echo aus der Türkei. Auch in Hamburg gab es Proteste gegen Kontrollen von türkischen Jugendlichen.

Im Hamburger Stadtteil Altona kam es nach einer Ausweiskontrolle zu Auseinandersetzungen. Bild: dpa

BERLIN taz | Eine Personenkontrolle der Polizei, die in der vergangenen Woche in Offenbach aus dem Ruder gelaufen hat, sorgt inzwischen für ein Echo aus der Türkei. Eine größere Gruppe türkischer und arabischer Jugendlicher war in der Nacht zum vergangenen Mittwoch vom Nachtgebet zum Ramadan aus einer Moschee gekommen, als sie von der Polizei angehalten wurde. Zuvor hatte sich in der Einsatzzentrale der Polizei ein Mann gemeldet, der behauptete, in einer nahe gelegenen Schule sei eingebrochen worden.

Die Jugendlichen werfen der Polizei nun vor, sie nur aufgrund ihrer „muslimisch aussehenden Kleidung“ angehalten und unverhältnismäßige Gewalt angewendet zu haben. Sie seien aufgefordert worden, ihre Personalien vorzuzeigen und sich an eine Wand zu stellen.

Als sich einer von ihnen weigerte, hätten ihm Polizisten Handschellen angelegt und ihn mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen. Einer sei genötigt worden, sein Gebetsgewand auszuziehen und sich bis auf die Unterhose zu entkleiden. Ein anderer sei mit dem Schlagstock traktiert worden. Zunächst waren vier Streifenwagen im Einsatz, am Ende dreizehn.

Die Polizei wiederum sagt, zu dem Handgemenge sei es nur gekommen, weil sich die Jugendlichen der Kontrolle widersetzt hätten. Ein Beamter habe sich dabei an der Hand verletzt. Gegen zwei Jugendliche, die Anzeige erstattet haben, wird nun selbst wegen Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt ermittelt.

Am Freitag demonstrierten deshalb rund 200 Menschen in Offenbach gegen die Polizeigewalt. Auch Offenbachs Oberbürgermeister Horst Schneider (SPD) und Hessens Polizeipräsident Roland Ullmann kamen zu der Kundgebung und versprachen eine gründliche Aufklärung der Vorfälle. Zu der Kundgebung aufgerufen hatte die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), die der türkischen Regierung nahe steht.

Weitere Gewaltfälle in Hamburg

Erst eine Woche zuvor gab es im Hamburger Stadtteil Altona Proteste, weil sich auch dort Jugendliche durch die Polizei schikaniert fühlten. Die Polizei behauptet, sie sei angerückt, weil die Jugendlichen Autofahrer mit Laserpointern geblendet hätten.

Auch hier war eine Ausweiskontrolle in Gewalt ausgeartet, am Ende wurden 16 Jugendliche zwischen 17 und 26 Jahren vorübergehend festgenommen. Mehr als 1.000 Menschen demonstrierten deshalb am Samstag in Altona gegen Polizeigewalt und „verdachtsunabhängige Kontrollen“.

Die türkische Regierung wittert offenbar die Chance, sich für die deutsche Kritik an der exzessiven Polizeigewalt gegen die Protestbewegung im eigenen Land zu revanchieren. „Die Begriffe Demokratie, Menschenrechte und Recht werden von der hiesigen Polizei gern übersehen, wenn es um Ausländer geht“, sagte der türkische Vizepremier Bekir Bozdag beim Fastenbrechen des türkisch-muslimischen Verbands Unabhängiger Industrieller und Unternehmer (Müsiad) in Köln. „Die Menschen werden wegen einer Ausweiskontrolle am helllichten Tag nackt ausgezogen“, sagte Bozdag, der für die im Ausland lebenden TürkInnen zuständig ist.

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24 Kommentare

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  • L
    lowandorder

    ff : Der Rahmen - die auf Kommissar-Ebene angeliftete - Polizei.

     

    Die keine Probleme hat, einen Jugendlichen vom Wagen auf die Straße zu knallen und nieder zu knüppeln; mit einem direkt dahinter laufenden Einsatzleiter; der vor Gericht dann - vulgo - lügt, daß sich die Balken biegen ( Fall König); oder erst in einen Brunnen klettert, um einen Verwirrten aus nächster Nähe - sorry - aber abzuknallen.

     

     

     

    Mehr als diese Spitze des Eisberges braucht es nicht, um zu beschreiben, wohin der öffentliche Raum verkommt und in welchem Umfang diese Entwicklung gedeckt, ja erkennbar protegiert wird.

     

     

     

    Kontrollen!

     

    bei meinen Kontrollen wird noch jedes mal kackfrech behauptet, ich sei verpflichtet, meinen Persi bei mir zu tragen.

     

    Und nur meine Hautfarbe bewahrt mich vor Weiterungen;

     

    über Fahrten mit der "Grünen/Blauen Minna" hinaus.

     

    Aber schon das ist im Detail von weiteren Übergriffigkeiten geprägt.

     

     

     

    Weitreichender und schlimmer ist aber, mit welcher breitärschigen Unverfrorenheit - völlig geschlechterneutral - " das Blaue vom Himmel und vom Pferd" erzählt wird.

     

     

     

    Das vornehmste Recht der Bürger einer Republik, das Recht in Demonstrationen seine Meinung kund tun - ist zu Zwangspolizeibegleitungen mit latenter Bürgerzwangsbeatmung-plus verkommen.

  • L
    lowandorder

    Daniel Bax hat recht - greift aber zu kurz.

     

     

     

    Racing/social profiling ist ein wichtiger Teilaspekt der fortschreitenden Usurpierung des öffentlichen Raumes durch Ordnungskräfte

     

    ( neben dem digitalen durch Schlappis wie Wirtschaft) ; vorrangig die Polizei - der Rest ( Ordungsamtler, Sicherheitsdienste) im Fahrwasser hinterdran.

     

     

     

    Nach kurzzeitiger Verweichlichung ala Polizeipsychologen wie Hermann Schreiber etc - ist längst wieder an die

     

    Allmacht, die allgewaltige Zuständigkeit der " Polizey" des Mittelalters angeknüpft.

     

    Klar - schlimmer geht immer, da warnt Daniel Bax zu recht.

     

     

     

    Nur werden Praxen wie racial/social profiling nur dann mit sachlichem Erfolg auf den Prüfstand kommen, wenn ein Umdenkungsprozess eingeleitet wird;

     

    der Bürger, also jeder - den öffentlichen Raum zurückgewinnen - kann.

     

     

     

    Danach sieht es aber derzeit nicht aus - im Gegenteil.

     

    Allein das Straßenbild der Städte hat sich unter Ordo-Gesichtspunkten nachhaltig geändert: nach den Politessen als moderne Geldeintreiber, laufen heute - unausgebildete - Ordnungsamtskräfte bewaffnet mit Handschellen et al in voller Montur durch Straßen, ein leicht fußkranker Bereichsbulle schaukelt daneben her;

     

    während für anderes die kommunalen Kassen leer sind, sind die Fuhrparks eindrucksvoll aufgerüstet; vom feinsten und was soll - bitte - eine Millionen-Großstadt mit 650er-Geländemaschinen von BMW

     

    ( 20.Tsd.pro Stück).

  • R
    Ramadan

    Bei den Gläubigen (muss wohl angenommen werden, dass sie es sind) fällt mir täglich auf, es sind in den späten Abendstunden nur Männer auf der Straße.

     

     

     

    Und was heißt Männer - Kinder von ca. 10 bis 16 Jahren um Mitternacht.

     

     

     

    Na,ja. Vielleicht sind die Mädels und Frauen froh, dass sie mal allein sein können.

  • R
    RosaZora

    Ja na klaro! Das haben die phösen Polizisten bestimmt wieder nur aus Langeweile und Lust an der Gewalt getan. Warscheinlich aus rassistischen und islamophoben Motiven. Aber sicher doch!

     

     

     

    Ich würde mir wünschen das mein Hirn wieder auf die Größe eines Mittzwanzigers schrumft damit ich wieder die Welt mit einer solchen naiven Dumpfheit betrachten kann.

     

     

     

    Ich versuchs mal: Alle Bullen sind... - ach vergesst es ich bin mittlerweile erwachsen geworden.

    • @RosaZora:

      Laut einer 2009 von US-Psychologen veröffentlichten Studie, beginnt das geistige Altern durchschnittlich mit 27 Jahren. Über einen Zeitraum von sieben Jahren, wurden 2000 gesunde Menschen im Alter zwischen 18 und 60 Jahren mit der Hilfe von Tests auf ihre geistige Leistungskraft untersucht. Leistungen zu der Fähigkeit von schnellen Vergleichen, zur Erinnerung von unverbundenen Informationen oder zur Entdeckung von Verbindungen, gäben Anlaß davon auszugehen, dass mit durchschnittlich 22 Jahren die maximale kognitive Leistungskraft bei gesunden Menschen erzielt würde, während mit durchschnittlich 27 Jahren der kognitive Niedergang begänne. Dieses würde sich u.a.beim abstrakten Denken, der Geschwindigkeit der Verarbeitung und beim Lösen von Puzzeln offenbaren. Mit dem Gedächtnisabbau ginge es allerdings erst in einem durchschnittlichen Alter von 37 Jahren los.

  • SK
    S. Koslowski

    @Strandleben: Ja, warum keinen "Stuhlkreis"? Gleich den Knüppel 'rausholen kennen wir eher von Diktaturen.

     

    S. koslowski

  • K
    Kimme

    Die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) ist der verlängerte Arm der türkischen AKP und macht für Erdogan aktiv Wahlkampf und Propaganda.

     

    Falls die Demo tatsächlich von der UETD ausgerufen und organisiert wurde, kann man sich vorstellen wer da mitmarschiert ist - türkische Nationalisten und Muslime mit eher extremeren Ansichten. Sollten auch die "kontrollierten" Jugendlichen dieser Vereinigung nahe stehen, kann man sich den Vorgang vor der Moschee gut vorstellen.

     

    Sollte dem nicht so sein, ist es erfreulich, dass die Politik der Angelegenheit mehr Aufmerksamhkeit widmet... hoffentlich nicht nur bis zum Wahlkampf.

  • Da dieser Vorfall bisher nicht ausreichend aufgeklärt wurde, stellt die Überschrift "Polizeigewalt in Deutschland" eine Vorverurteilung dar. Im Übrigen erschließt sich mir nicht ganz, wie die Polizisten reagieren sollen, wenn Widerstand geleistet wird. Soll man vielleicht einen Stuhlkreis bilden und die Sache ausdiskutieren?

  • P
    Pieksi

    "Verdachtsunabhängige Kontrollen" sollen nicht sein? Und? Bei der Aktion in Hamburg ging es ja gerade darum, dass dringender Tatverdacht bestand, weil, so war es in den ersten Berichten noch zu lesen, die "Jugendlichen" selbst den vorbeifahrenden Streifenwagen noch mit dem Laserpointer ins Visier nahmen.

     

     

     

    Kein Anzeichen von Einsicht, dass das falsch ist, stattdessen wieder mal Rassismusgeschrei.

  • A
    amigo

    Unser "Freund und Helfer" will doch nur ein wenig spielen!

  • D
    D.J.

    Natürlich muss aufgeklärt werden, ob und inwieweit sich die polizei unkorrekt verhalten hat. Die Einmischung des nationalreligiösen Hetzers Bozdag ist dabei eher kobntraproduktiv. Hier nur als Besipiel für sein verbales Wüten eine kluge Analyse von durchaus ziemlich linker Seite (ja, so etwas gibt es noch):

     

     

     

    http://blog.initiativgruppe.de/2013/03/10/ist-die-turkische-identitat-angeboren/

  • I
    Ingmar

    Ich würde sagen, dass an einem Streit immer beide Schuld haben. Wahrscheinlich waren die Polizisten etwas aggressiv und die Jugendlichen haben da gleich mitgemacht.

  • E
    Emre

    Erdogans Anhänger sollten lieber mal den Ball flach halten. Ich finde es als Türke beschämend wenn wieder der deutschen Justiz etwas unterstellt wird. Das Polizeibrutalität zunimmt bestreite ich nicht, jedoch die Chance ein politischen Druck auszuüben unverschämt. Auch bitte ich das Wort "Demokraten" aus der Bezeichnung der UETD zu nehmen. Diese Vereinigung ist nichts weiter als eine Lobby Gruppe von Erdogan sprich Islamisten.

    • @Emre:

      Du kennt wohl die andere Seite der deutschen Polizei und der Justiz noch nicht!

       

      NRW-Studie aus dem Jahre 2000 FH Köln, Sozialwissenschaften: 68% aller NRW-Polizisten sind ausländerfeindlich eingestellt!

       

      In Hessen und Bayern dürften es mindestens 78% sein!

      • K
        Kimme
        @Quotenmensch:

        @Quotenmensch

         

        Das hat mich jetzt interessiert und ich habe direkt mal nach besagter Studie gesucht. Gefunden habe ich nichts.

         

        Sollten sie nicht irgendwelche genaueren Nachweise oder Quellenangaben haben, ist die Behauptung blanker Populismus.

        • @Kimme:

          Zu der Studie von 1996, habe ich nun doch etwas gefunden:

           

           

           

          -Titel

           

          Thema heute: 'Fremdenfeindlichkeit in der Polizei?' : Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie - Today's subject: 'xenophobia in the police?' : results of a scientific study

           

           

           

          -Jahr

           

          1996

           

           

           

          -Institution(en)

           

          Herausgeber: Polizei-Führungsakademie (Zum Roten Berge 18-24, 48165 Münster - http://http://www.dhpol.de/)

           

           

           

          -Quelle

           

          Lübeck: Schmidt-Römhild 1996, 220 S. (Abb. u. Tab.)

           

          Serientitel: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie, Bd. 1/2/96

           

          ISBN: 3-7950-0126-9

        • @Kimme:

          Wie ich gerade gelesen habe, gibt es wohl noch eine Studie von 1996, zu der ich aber leider auch nichts finden konnte.

        • @Kimme:

          Zuletzt kündigte die Innenministerkonferenz eine solche Studie 1994 an, welche aber scheinbar nie veröffentlicht oder durchgeführt wurde.

           

          Anlaß war u.a. eine Befragung von 550 Beamten, zu ihren Ansichten und Kenntnissen über rechte Gewaittaten sowie in Deutschiand lebende Ausländer, durchgeführt durch die Verwaltungs-Fachhochschule Koblenz. Ergebnisse:

           

          Für mehr als 65 Prozent der Befragten waren Asylbewerber eine soziale Bedrohung, rund ein Drittel hielt eine multikulturelle Gesellschaft für sozial unverträglich. Mehr als die Hälfte der Befragten wußte nicht, wann eine Straftat ais fremdenfeindlich einzustufen ist. Mehr als 26 Prozent der Polizisten hielten eine Mitgliedschaft bei den Republikanern für vertretbar. 62 Prozent stuften die Einstellung von Ausländern in den Pollzeidienst als "problematisch" ein.

           

          Warum derartige Studien, in den folgenden 20 Jahren, scheinbar nie durchgeführt oder veröffentlicht wurden, läßt sich nur mutmaßen.

          • K
            Kimmen
            @Daro:

            Vielen Dank. Werd mal schauen, ob man die Studie irgendwo herunterladen kann. Ist ja ein relevantes und interessantes Thema.

             

             

             

            Wobei die Zahl der befragten nicht sonderlich groß war und demnach wohl nur regionale Aussagekraft hat. Aber nichtsdestotrotz sehr interessant.

            • @Kimmen:

              In der offiziellen Studie von 1996, wurden wahrscheinlich wesentlich mehr Beamte befragt, als die 550 Befragten von 1994.

    • S
      Somaro
      @Emre:

      Wer sich Demokraten nennt, wird auch so benannt, auch wenn er keiner ist.

       

      Deutschland nennt sich ja schließlich auch Rechtsstaat und Demokratie.

       

       

       

      Erdogan hat doch Recht: Wenn beide Seiten gleich schlimm, kann man die Heuchelei des einen auch als Druckmittel für sich selber nutzen.

      • E
        Emre
        @Somaro:

        Ich zweifele schon länger am Rechtsstaat, zwar sind noch die vermeintlich wichtigen Strukturen vorhanden, aber das 10 Jahre lang alle abgehört werden? Zudem haben wir Bürger die Risiken der Banken übernommen, Israel paar U-Boote geschenkt und die Privatisierung akzeptiert. Deshalb wähle ich eben den lieben Gysi. P.S Unterzeichen gegen die private Wasserversorgung right2water.eu/de

         

         

         

        Danke