Polizeigewalt beim Hamburger Derby: Mehr als nur ein Einzelfall
Nach dem Polizeieinsatz vor dem Hamburger Zweitligaderby müssen nicht nur die Vorfälle vor Ort aufgeklärt werden. Es geht um Grundsätzlicheres.
Das Video ging in den sozialen Netzwerken viral. Zu sehen war ein Polizist, der auf einen am Boden liegenden Mann kniet und brutal eindrischt, während ein anderer Polizist noch die Beine des Gewaltopfers fixiert. Es handelte sich um einen Einsatz gegen St.- Pauli-Fans, wie die Polizei erklärte, die HSV-Anhänger angreifen wollten. Insgesamt seien bei der Aktion 47 Personen in Gewahrsam genommen worden.
Es stelle sich die Frage der Verhältnismäßigkeit, twitterte der FC St. Pauli und forderte Aufklärung bereits vor dem gewonnenen Derby gegen den HSV (3:0). Die Polizeisprecherin Sandra Levgrün zog sich erst einmal auf eine Verteidigungsposition zurück. „Diese Videos sehen nie schön aus“, sagte sie. „Aber das macht kein Kollege aus Spaß!“
Sie versprach aber auch, man werde die Verhältnismäßigkeit des Vorgehens prüfen. Gegen den schlagenden Polizisten liegt ohnehin eine Anzeige vor. Ein Strafverfahren wurde eröffnet, räumt die Hamburger Polizei am Sonntag ein.
Angesichts der Beweislage wird die Polizei wohl das Handeln des Kollegen als unangemessene Überreaktion eines Einzelnen verurteilen. Dass die Handyaufnahme aber keinen Einzelfall dokumentiert, können etliche Fußballfans bezeugen, die bereits Opfer von Polizeigewalt geworden sind.
An der Uni Bochum wird gerade ein Forschungsprojekt zur rechtswidrigen Anwendung von Gewalt durch Polizeibeamte durchgeführt. Fußballfans sind „eine große Teilgruppe“ dieser Studie, wie es heißt. Mehr als 650 Menschen wurden befragt, die über erfahrene Polizeigewalt berichten.
Es gäbe schon in diesem Bereich genug Fälle, um eine „Gewalttäterdatei Polizei“ anzulegen. Rechtsübertritte sind schon lange sowohl auf Fan- als auch auf Polizeiseite zu beobachten. Die Polizei muss sich mit dem offenkundig systemischen Problem in den eigenen Reihen im Umgang mit Fußballfans auseinandersetzen. Die Ergebnisse der Uni-Studie sollen im Frühjahr 2023 erscheinen.
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