Polizeigesetz in Schleswig-Holstein: Von Todesschüssen und Fußfesseln
Die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein legt einen Entwurf für ein neues Polizeigesetz vor und rühmt sich, Bürgerrechte gewahrt zu haben.
„Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir unseren Polizistinnen und Polizisten die nötige Rechts- und Handlungssicherheit geben“, sagte Grote. Er verwies darauf, dass es heute ganz andere Gefährdungslagen gebe als bei der jüngsten Reform vor zwölf Jahren. Dass das Polizeigesetz geändert wird, liegt an bundesrechtlichen Vorgaben, an die die Landesgesetze angepasst werden müssen. In vielen Regionen nutzten die Regierungen die Reform, um die Rechte der Behörden auszuweiten, was – wie in Bayern – heftige Proteste nach sich zog.
Im Norden solle das nicht passieren, so Peters, und der polizeipolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Jörg Hansen, pflichtet mit Verweis auf Bürgerrechte bei: „Ein Polizeigesetz nach bayerischem Vorbild ist mit unserem Selbstverständnis nicht vereinbar.“
Dennoch dürfen, wenn das Gesetz wie geplant im Frühjahr in Kraft tritt, Polizist*innen in Schleswig-Holstein tödliche Schüsse anwenden, um Täter*innen in Extremlagen zu stoppen. Die Waffe darf auch gegen Jugendliche unter 14 Jahren eingesetzt werden. Burkhard Peters nennt als Beispiel einen Amoklauf an einer Schule, bei dem das Leben anderer Kinder bedroht ist.
Ausgeweitete Überwachungsrechte
Fußfesseln sollen bei sogenannten Gefährder*innen zum Einsatz kommen. Elektroschocker, sogenannte Taser, sollen getestet werden. Bodycams haben einen Test bereits hinter sich, nun sollen die Kameras am Körper regelhaft angewendet werden. Ausschalten muss die Polizei sie aber, wenn sie Verdächtige in deren Wohnungen verfolgen. Ausgeweitet werden Überwachungsrechte. Unter anderem soll die Landespolizei anlasslos in Grenzregionen und auf Verkehrsachsen kontrollieren dürfen.
Aus Sicht der Grünen waren auch Online-Durchsuchungen und Rasterfahndung im Netz schwierige Punkte. Gemeinsam mit der FPD sei es gelungen, die CDU von einer Spähsoftware wie dem „Staatstrojaner“ abzubringen. „Mit solchen Methoden beteiligt sich der Staat daran, die Sicherheit des Netzes zu korrumpieren“, sagt Burkhard Peters. Den Trojaner hatten Grüne zur „roten Linie“ erklärt.
Kritik am Gesamtpaket kommt auch von der SPD. Wesentliche Punkte der sicherheitspolitischen Diskussion würden ausgeblendet, sagte deren polizeipolitische Sprecherin, Kathrin Wagner-Bockey. Zudem werde zu viel über Terror und zu wenig über Alltagskriminalität gesprochen. So fehle etwa das Thema häusliche Gewalt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?