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Polizei verhaftet UnbeteiligtenZivilfahnder am falschen Ort

Die Göttinger Polizei fahndet nach einem früheren Vorstand der „Alternative für Deutschland“ – und verhaftet einen Unbeteiligten.

Daran sollt ihr sie erkennen: Uniformen haben Zivilfahnder nicht, Dienstwaffe und Handschellen aber sehr wohl Bild: dpa

GÖTTINGEN taz | Auf der Suche nach einem ehemaligen Vorstand der Göttinger Alternative für Deutschland (AfD) hat die Polizei einen unbeteiligten 31-Jährigen festgenommen. Die Festnahme fand Anfang März in Rosdorf bei Göttingen statt, wurde aber erst jetzt bekannt. Pikant ist der Fall, weil Zivilbeamte den Mann mit gezogener Waffe festsetzten und anfangs versäumten, sich als Polizisten zu erkennen zu geben.

Der Anlass für die Verhaftung ist dünn: Der 31-Jährige hatte sich vor dem Wohnhaus des Ex-AfD-Vorstands in Mengershausen mit einem Bekannten getroffen. Die beiden fuhren von dort zu einer Werkstatt im zwei Kilometer entfernten Lemshausen.

Dabei wurden sie von den Polizisten verfolgt. Während der Fahrt ermittelten sie den 31-Jährigen als Besitzer des Wagens. Er hat keine Verbindung zu dem Gesuchten. Trotzdem entschieden sich die Polizisten für eine Festnahme.

Vor der Werkstatt sei einer der Beamten plötzlich aufgetaucht. Wie die Polizei bestätigt, hatte er dabei seine Dienstwaffe gezogen. Der 31-Jährige sagt, er habe kurz in die Mündung sehen können, „dann hat er mich gepackt, umgedreht, an eine Mauer gedrückt, mir die Beine auseinander getreten und Handschellen angelegt.“ Der Beamte habe dabei stark gezittert. „Der war total nervös.“ Das habe die Situation noch bedrohlicher erscheinen lassen. „Ich habe ihn zweimal gefragt, wer er ist und es kam keine Antwort.

Erst nach dem dritten Mal sagte er: ’Polizei‘.“ Er sei verunsichert gewesen, „ob das jetzt irgendwelche durchgeknallten Leute sind, die mich ausrauben wollen“. Danach soll der Beamte ihm den Personalausweis abgenommen haben und damit zur Überprüfung zu seinem Dienstwagen gegangen sein. Währenddessen hielt seine Kollegin den 31-Jährigen in Schach. Nachdem die Beamten festgestellt hatten, dass sie den Falschen hatten, ließen sie ihn wieder gehen.

„Tut uns leid für Sie“

Immer Ärger um die AfD

Vor der Bundestagswahl 2013 hatte es Proteste gegen Wahlkampfstände der AfD in der Göttinger Innenstadt gegeben. Die Partei beklagte deren „gewalttätigen“ Charakter. Im Landkreis Göttingen holte die AfD 3,35 Prozent.

Nähe zur extremen Rechten wurde damals dem Schatzmeister, dem Vorsitzenden und dem Sprecher der AfD vorgeworfen. Sie traten im August nach Gesprächen mit dem Landesverband zurück.

Den damaligen Schatzmeister hat die AfD angezeigt, weil er 6.000 Euro veruntreut haben soll. Er soll inzwischen ausgetreten sein.

Der Mann hat nun den Göttinger Anwalt Rasmus Kahlen eingeschaltet und eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht. Kahlen sagt: „Wir wollen wissen, wie es eigentlich dazu kommen kann, dass jemand einfach so mit vorgehaltener Waffe angegangen und dann auch noch so lapidar abgespeist wird.“ Die Beamten sollen ihr Verhalten unter anderem mit „Tut uns leid für Sie, falscher Ort, falscher Zeitpunkt“ erklärt haben.

Joachim Lüther, ein Sprecher der Göttinger Polizei, sagt zu dem Fall, Beamte führten zur Eigensicherung häufig ihre „Dienstwaffe in sogenannter Vorwärts-abwärts-Position beim Ansprechen einer unbekannten Person“. Dies geschehe „insbesondere im Hinblick auf eine bevorstehende Festnahme“.

Dass Polizisten sich selbst schützen dürfen, stellt auch Anwalt Kahlen nicht in Frage. „Allerdings gibt es zwischen dem 31-Jährigen und dem Gesuchten keine Ähnlichkeit, weder vom Alter noch von der Statur. Da kann man schon von den Beamten verlangen, dass die sich ein paar mehr Gedanken machen“, sagt Kahlen.

Der eigentlich Gesuchte ist der frühere Schatzmeister des Göttinger AfD-Kreisverbandes. Er war im vergangenen August zurückgetreten. Zuvor hatte der 19-Jährige behauptet, die Antifa habe ihn bedroht. Außerdem hätten Unbekannte versucht, sein Haus anzuzünden. Ermittlungen hierzu haben nichts ergeben.

Eine lokale Antifagruppe veröffentlichte ein Bild des damaligen AfD-Politikers, auf dem er mit dem Fahrrad durch die Göttinger Innenstadt fährt und den Hitlergruß zeigt. Es stammte aus seinem Facebookprofil. Er sagte dazu, es handele sich um eine Fotomontage, sein Profil sei gehackt worden.

Nach Angaben des Göttinger Amtsgerichts wurde der 19-Jährige nun gesucht, weil er gegen Bewährungsauflagen verstoßen hat, die aus einer Verurteilung wegen Internetbetrugs herrühren. Weitere Verfahren stehen aus. So wird ihm vorgeworfen, eine Kreditkarte entwendet und damit einen Bordellbesuch finanziert zu haben. Daneben soll er die Kassen der Göttinger AfD um mehrere Tausend Euro erleichtert haben.

Dass derartige Taten jedoch den Einsatz von Schusswaffen rechtfertigen würden, bezweifelt Anwalt Kahlen. „Nur wenn ein Verdächtiger als besonders gefährlich gilt, ist es verhältnismäßig, ihn mit einer Waffe zu bedrohen.“ Der Ex-AfD-Mann ist mittlerweile gefasst worden. Er sitzt nun im Jugendgefängnis.

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1 Kommentar

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  • Also ich hege keinerlei Sympathien für die AfD und empfinde Sie als gefährliche Rechtspopulisten, aber dennoch frage ich mich, was denn jetzt der Bezug der AfD zu dieser Geschichte ist? Warum wird bereits in der Unterüberschrift darauf hingewiesen, dass der eigentliche Gesuchte ein AfDler ist? Das erscheint mir doch pauschal Stimmungsmache zu sein, schließlich ist der Fakt der Parteizugehörigkeit doch für die Geschichte völlig irrelevant.

    Man erwähnt ja schließlich auch nicht, dass der Mann jeden Tag Vollkornbrot isst und vielleicht Fan des VfL Wolfsburg ist...