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Polizei in den Niederlanden gerät unter Druck

■ Im Skandal um Kinderpornos sollen die Behörden Ermittlungen verschleppt haben. Verbindungen nach Deutschland bestätigt. Kripo fordert mehr Unterstützung

Den Haag/Berlin/Brüssel (dpa/AFP/ taz) – Im niederländischen Kinderporno- Skandal sind schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben worden. Das in Rotterdam erscheinende Algemeen Dagblad berichtet, die Polizei habe schon vor über einem Jahr einen wichtigen Hinweis auf die Verbrecherbande erhalten, aber nicht weiterverfolgt. Die Ermittler wiesen die Vorwürfe zurück und verwahrten sich auch gegen die Kritik der belgischen Bürgerinitiative Morkhoven, wonach die Ermittlungen nur schleppend anliefen. Die belgische Gruppe solle besser endlich die Disketten herausgeben, die sie nach eigenen Angaben von der Kinderschänderbande bekommen habe, sagte ein Polizeisprecher.

Auch in der Bundesrepublik lösten die Funde in den Niederlanden eine Debatte über die Ermittlungsmöglichkeiten aus. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) forderte, die Politik solle nicht nur harte Strafen fordern, sondern die Defizite bei der Ausstattung der Polizei abbauen.

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) sprach sich im Südwestfunk für ein bundesweit einheitliches Vorgehen gegen Internet-Kriminalität nach dem bayerischen Vorbild aus: Bayern habe bislang als einziges Bundesland „Cyber Cops“ geschaffen, die im Internet verdachts- und ereignisunabhängig fahnden. Dieses Vorgehen, bei dem die Ermittler mit bestimmten Suchbegriffen seit 1995 rund 20.000 Stunden im Internet gesurft haben, sei mit dem Datenschutzbeauftragten abgestimmt.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Otto Schily, forderte die Einrichtung einer internationalen Internet-Ermittlungsstelle bei Europol und sprach sich für härtere Strafen nicht nur für die Produzenten, sondern auch für die Konsumenten aus. Bundesaußenminister Klaus Kinkel forderte, an den Mitgliedern des Kinderporno-Rings aus Zandvoort ein Exempel zu statuieren.

Der bayerische Justizminister Hermann Leeb (CSU) forderte zur Bekämpfung der Kinderpornographie eine internationale Rechtshilfe und eine weltweite Ächtung, etwa durch die Welthandelsorganisation oder die UNO.

Erstmals wurden gestern Verbindungen nach Deutschland bestätigt. Eine telefonische Nachfrage bei den niederländischen Behörden habe ergeben, daß die Täter viele E-Mail-Adressen aus Berlin gespeichert hätten, sagte Jörg-Michael Klös vom Berliner Landeskriminalamt. Solange allerdings nicht nachgewiesen sei, daß die Zandvoorter Täter das Material selbst herstellten und verbreiteten, könne von einem Ring keine Rede sein, sagte Klös. Auch die Seriosität der Initiative Morkhoven zog Klös in Zweifel: „Wir haben mit der Bürgerinitiative schlechte Erfahrungen gemacht“, sagte Klös gegenüber der taz. Neue Hinweise auf den seit 1993 vermißten Manuel Schadwald aus Berlin gebe es nicht. Der Junge ist nach Presseberichten von einer internationalen Kinderschänderbande verschleppt worden. Berichte Seite 2

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