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Polizei durchsucht Hausprojekt in BerlinRazzia in der Liebig 34

Nach Steinwürfen hat die Polizei Räume im queerfeministischen Hausprojekt Liebig 34 durchsucht. Bewohner*innen kritisieren den Einsatz.

Eine Demo gegen die Räumung der Liebig 34 zieht im September 2018 durch Friedrichshain Foto: dpa

Berlin taz | Eine Razzia gab es am frühen Samstagmorgen in dem anarcha-queerfeministischen Hausprojekt Liebig 34 in Friedrichshain. Laut Polizei waren in der Nacht davor gegen 0.20 Uhr Steine aus dem Haus auf einen Mannschaftswagen geflogen – verletzt wurde dabei niemand. Die Polizist*innen hätten die Wohnung, aus der die Steine geflogen seien, nach eigenen Angaben lokalisieren können und anschließend einen Durchsuchungsbefehl erwirkt.

Bei der folgenden Durchsuchung um 6.20 Uhr war laut Polizei niemand in den Räumen anzutreffen. Allerdings hätten die Einsatzkräfte Vermummungsutensilien, Wurfgeschosse, Steine, Farbbomben sowie Flaschen „sichergestellt“, wie es in der dazugehörigen Pressemitteilung heißt. 120 Polizist*innen sowie ein Polizeihubschrauber seien an der Durchsuchung beteiligt gewesen. Weitere Ermittlungen führe der Staatsschutz.

Während des Einsatzes seien die Beamten aus einem gegenüberliegenden Haus mit Pyrotechnik und Farbbomben beschossen worden. Dabei sei ebenfalls niemand verletzt worden. Genauere Angaben waren am Sonntag von der Polizei nicht zu bekommen.

Von der Farbattacke war ein Video auf Twitter zu sehen: Eine vorbeifahrende Wanne wurde dort vom Bürgersteig aus – wohl mit einem Feuerlöscher – großflächig mit gelber Farbe besprüht. Ebenso gab es grüne Farbbomben und Böller in Richtung der Polizei. Auf der Rigaer Straße brannte zudem wohl eine Mülltonne.

Geladene Stimmung

Die Razzia fällt in eine ohnehin schon aufgeladene Atmosphäre. Der Liebig 34 droht wie mehreren linken Projekten und Kneipen in Berlin derzeit die Räumung. In der linken Szene werden drohende Verluste als Angriff gewertet, der nicht widerspruchslos bleiben soll. Es formieren sich Proteste, ebenso gibt es Aufrufe, neue Räume zu besetzen (taz berichtete).

Sprecher*innen des Hausprojekts Liebig 34 warfen der Polizei nach der Razzia Sachbeschädigung, Freiheitsberaubung und Diebstahl vor. Die Beamt*innen hätten auch Privaträume durchsucht, für die kein Durchsuchungsbeschluss vorlag. Mitglieder des Kollektivs seien dabei zudem zeitweise in einem Gemeinschaftsraum eingesperrt gewesen. Auch seien die Eingangstür zersägt, Internetkabel durchschnitten und Netzwerktechnik entwendet worden, hieß es in einer Mitteilung.

Eine Sprecherin der Liebig 34 kommentierte: „Um ehrlich zu sein, überrascht uns das Eindringen in unsere Räume nach den hitzigen Diskussionen der letzten Wochen nicht. Dass die Polizei dabei nicht vor Diebstahl und Freiheitsberaubung zurückschreckt, ist jedoch aus juristischer Sicht mehr als fragwürdig.“

Zudem kritisierten Vertreter*innnen des Hausprojekts, dass die Polizei DNA-Proben von Haushaltsgegenständen abgenommen habe: „Das Sammeln von DNA und Fingerabdrücken in einem offenen Hausprojekt wie der Liebig34 ist eine Absurdität. Verschiedenste Menschen haben sich bereits in unseren Räumen aufgehalten, und ihre DNA wird nun unabhängig von dem Vorliegen einer Straftat gespeichert.“ Personalien seien allerdings nicht festgestellt worden.

Steinige Einsätze

Im Norden Friedrichshains um ehemals und aktuell besetzte Häuser zeigt die Polizei verstärkte Präsenz – im Zuge dessen flogen immer wieder Steine auf Einsatzfahrzeuge. Auf einem vom Twitterkanal der Rigaer 94 geteilten Indymedia-Beitrag heißt es dazu: „In den letzten Wochen hat sich gezeigt, dass die zahlreichen und konstanten Farb- und Steinaktionen dazu taugen, die Belagerungseinheiten auf Abstand zu halten.“

Der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei, Benjamin Jendro, sprach angesichts der Steinwürfe von „Terrorismus“ und „Angriffen auf Menschen, bei denen schwerste Verletzungen und selbst der Tod bewusst in Kauf genommen werden“. Jendro bemängelte zu wenig Unterstützung durch die Berliner Politik. Laut Polizei flogen in der Nacht zum Sonntag erneut Steine, verletzt wurde wiederum niemand.

Die Liebig 34 kündigte nach der Hausdurchsuchung eine Kundgebung am Sonntagabend am Dorfplatz, der Kreuzung Rigaer- Ecke Liebigstraße, an. Am Samstagabend gab es bereits eine unangemeldete Kundgebung, die mit Pyro vom Bersarinplatz zur Liebig 34 zog.

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20 Kommentare

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  • Steine schmeißen und dann rumheulen, weil man dadurch provoziert hat, dass DNA von Genossen gespeichert werden? Jo, das klingt genauso bescheuert wie es ist. Aber im Kopf ist das ganz großes Befreiungskino....

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Ich nehme mal an, die Aktivistinnen und Aktivisten wollen in ihrem Projekt bleiben.

    Wäre es da nicht besser, keine Steine auf Polizeiautos zu werfen? Oder wähnt man sich in einer Art Krieg, in dem alles egal ist?

    Wird da auch verhandelt oder nur geschossen?

  • Steinigungen!?

    Wie progressiv ist das denn? Das ist nicht konservativ, nicht mal reaktionär, das ist so was von Stone Age.

  • 9G
    94778 (Profil gelöscht)

    "Der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei, Benjamin Jendro, sprach angesichts der Steinwürfe von „Terrorismus“ und „Angriffen auf Menschen, bei denen schwerste Verletzungen und selbst der Tod bewusst in Kauf genommen werden“



    Jajaja.Sowirds wohl sein.



    Unsere Erde ist wegen des Dreckkapitalismus der von ca 5 % Psychopathen perpetuiert wird, am Untergehen uns er quatscht uns von "Terrorismus " und den "Tod anderer Menschen bewusst in Kauf nehmen " die Ohren mit seinem Sch...voll????



    Dem täglichen Terror der Verwertungs- und Ausbeutungslogik, die pro Tag Tausende von Opfern fordert, können auch wir, die wir hier ""nur" strukturell darunter zu leiden haben, jedenfalls nicht entkommen. Und wenn ein paar mal paar Steine schmeissen , kann ich das gut verstehen.



    Wird er für das Zeug, das aus ihm herauspladdert auch noch bezahlt?

    • @94778 (Profil gelöscht):

      Die Frage ist, ob daran was geändert wird, wenn man Steine auf Polizisten wirft... Die können nichts dafür.

      • 9G
        94778 (Profil gelöscht)
        @Koerperfett Waage:

        genau, die haben nur Befehle ausgeführt

    • @94778 (Profil gelöscht):

      Echte Satire oder Realsatire?

      • 9G
        94778 (Profil gelöscht)
        @Lockenkopf:

        Jaaa....



        Gute Frage.



        Gelle?

    • @94778 (Profil gelöscht):

      „Unsere Erde ist wegen des Dreckkapitalismus der von ca 5 % Psychopathen perpetuiert wird, am Untergehen „



      Konpletter Blödsinn: Die ist am Untergehen, weil 95% der Menschen ind den Erstweltstaaten zuviel Güter und Mobilität konsumieren.

      • 9G
        94778 (Profil gelöscht)
        @Emmo:

        Das stimmt natürlich ebenso. Sie beschreiben nur die andere Seite der Medaille.

        • 9G
          94778 (Profil gelöscht)
          @94778 (Profil gelöscht):

          Nur mit dem "Blödsinn".Hmmmm.



          Das üben wir aber noch die Ausdrucksweise.



          Gelle?

          • @94778 (Profil gelöscht):

            ok - ich werd mir künftig mehr Mühe geben. Versprochen!



            Aber ich ärgere mich einfach, wenn dermassen undifferenzierte Phrasen auf BILD-Niveau herausgehauen werden. Hinter Wirtschaftsverfassungen stehen immer Politiker, und dahinter Wähler, mithin Menschen.



            Der Kapitalismus - und zwar der „richtige“, also der, bei dem Externe Effekte monetarisiert werden (Verursachungsprinzip) schädigt die Umwelt nicht weniger und nicht mehr als der Sozialismus.

            • 9G
              94778 (Profil gelöscht)
              @Emmo:

              Friedensangebot abgenommen.

              Aber, es gibt keinen echten Kapitalismus" ebenso wenig, wie es jemals einen" Sozialismus" gab.



              Die Sowjet- oder DDR - Dusch Dich Richtig- Kacke kann mir keine als Sozialismus verkaufen.



              Eine echte, auf Sein und nicht auf Haben gegründete Gesellschaft hat es noch nie gegeben. Die ist aber nötig wenn wir überleben wollen.

              Bisschen mehr Schlagworte -> Bildzeitungniveau, wohldosiert, kann auch mal gut sein,kann bisschen aus sozialdemokratischer Verschiedenheit aufwecken.



              Ich wollte damit das blöde Gefasel von dem Polizeigwerkschaftssprecher als auf gleichem, nämlich auf Bildzeitungsniveau sich befindend, angreifen .

              • 9G
                94778 (Profil gelöscht)
                @94778 (Profil gelöscht):

                Sollte" sozialdemokratische Verschlafenheit" heissen

              • 9G
                94778 (Profil gelöscht)
                @94778 (Profil gelöscht):

                PS



                Es sollte so heissen: Es gibt keinen "echten" Kapitalismus", es gibt sucj keinen "guten" Kapitalismus, es gibt nur Kapitalismus, auch wenn die dahinterstehende Verwertungslogik zu anderen Zeiten in einen anderen begrifflichen Gewand daher kam.

                Verursacherprinzip?



                Das ist seit je nur ein Propagandatrick .



                Im Zweifelsfall ist eh " der Andere" verantwortlich. Hauptsache der Mehrwert stimmt.

                • @94778 (Profil gelöscht):

                  Von einem Vertreter der (Polizei-)Gewerkschaft habe ich noch nie einen sinnvollen, lösungsorientierten, differenzierten Satz vernommen. Sie haben vollkommen recht, das Gefasel IST auf Bildzeitungsniveau.

                  Das mit dem "Verursacherprinzip als Propagandatrick" und der "Verwertungslogik" klingt interessant, das müssen Sie mir aber noch etwas genauer erklären. Der "Neoliberalismus" besagt im wissenschaftlichen Sinn (und nicht wie er hier in der taz immer verwendet wird), dass Lösungen über den Markt effizienter sind als über den Staat - es sei denn, es gibt Marktversagen (nicht-finanzielle externe Effekte, natürliche Monopole etc.). Dann ist staatliche Regulierung angesagt. Klingt (natürlich) gut, aber warum wird das nicht z.B. auch in Bezug aufs Klima umgesetzt? Wegen Lobbyisten? Mag zum Teil sein, aber letztlich wollen viele Menschen (Wähler!) keine Veränderung. Insofern muss man die Menschen kritisieren, nicht die Systeme - denn Systeme kann man immer optimieren, wenn der Wille da ist.

                  Ich wünsche Ihnen nun viel Erfolg bei den heute anstehenden Operationen - bzw. am Piano ;-)

                  • 9G
                    94778 (Profil gelöscht)
                    @Emmo:

                    "aber letztlich wollen viele Menschen (Wähler!) keine Veränderung. Insofern muss man die Menschenkritisieren.



                    Absolut richtig.(Siehe auch minen Kommentar weiter oben.)

                  • 9G
                    94778 (Profil gelöscht)
                    @Emmo:

                    Kurz geantwortet.



                    Glauben Sie den Aussagen der Werbung?



                    Ich nicht.



                    So ist das auch in Bezug auf das "Vetursacherprinzip.



                    Und.Mit den Lobbyisten beschreiben Sie das noch mal sehr gut.



                    Die unterlaufen das -an sich gute- Verursacherprinzip.



                    "Die "unsichtbare Haus des Marktes" ist eine Nebelkerze. Die reguliert nur die Finanzströme auf ihrem " natürlichen" Weg - nach oben.



                    De Staat hat nur dann einzugreifen, wenn der Manager ( too big to fail) sich verzockt hat.Und soll sonst die Fr.... halten .

                    • @94778 (Profil gelöscht):

                      Ich glaube, unsere Ansichten sind sehr ähnlich!, ich kann fast alle Ihre Feststellungen unterschreiben.



                      Das Problem ist m.E. dass die Politiker halt auch nicht den Lobbyisten folgen würden, würden sie vom Wähler dafür abgestraft. Der tut das aber nicht, sondern ist zufrieden, wenn er möglichst wenig Entbehrungen aufgebürdet kriegt. Das Problem ist m.E. die Natur des Menschen, nicht ein bestimmtes Wirtschaftssystem.



                      Wenn diese Feststellung zutreffend sein sollte, dann sprengt das Problem den üblichen links-rechts-Diskurs.

                      • 9G
                        94778 (Profil gelöscht)
                        @Emmo:

                        Ich bin fast bei Ihnen. Linksrechts. Ja, das sind so fixierte Begriffe.....



                        Aber " Natur des Menschen ".



                        Dann muss man fragen: Wie ist diese Natur beschaffen? Z.B.statisch oder dynamisch?



                        Ist sie statisch, wie können dann Ideen, auch utopische Ideen , entstehen? Wie könnte überhaupt etwas ent-stehen.



                        Wir könnten diese gar nicht denken, wir könnten nicht in die Zukunft denken.



                        Wir könnten nur immanent bleiben und nicht transzendent, das heisst in diesem Fall, über uns hinaus denken.



                        Dieses Potential haben wir aber . Man verwechsle aber bitte nicht Potential und Fähigkeit.