Politologin über Wahlwerbung: „Ein gelungenes Wahlplakat ist sehr einfach“
Katharina Kleinen-von Königslöw findet, man dürfe die Wirkung von Plakatkampagnen nicht unterschätzen. Dieses Jahr werde mehr gelächelt.
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taz: Die Hamburg- und die Bundestagswahl liegen dieses Jahr sehr nah beieinander. Welche Probleme bringt das für den Wahlkampf?
Katharina Kleinen-von Königslöw: Die Kernherausforderung für den Wahlkampf in Hamburg ist, dass Wähler:innen die beiden Wahlen nicht auseinanderhalten können. Ich würde sagen, den meisten Hamburger:innen geht es momentan so, dass ihnen all diese Personen auf den Wahlplakaten und auf Social Media sehr bekannt vorkommen. Aber die genaue Zuordnung, wer jetzt eigentlich für Hamburg nach Berlin oder für Hamburg in die Bürgerschaft geht, das ist schwierig auseinanderzuhalten. Es wird immer abfärben und Überlappungen geben.
taz: Überschattet die Bundestagswahl die lokalen Themen?
Kleinen-von Königslöw: Ja, das kann man auf jeden Fall sagen. Wenn Friedrich Merz etwas sagt auf Bundesebene, dann nehmen das natürlich auch potenzielle CDU-Wähler:innen für die Bürgerschaft wahr. Ich glaube, dass das der lokalen CDU gerade nicht wirklich einen Gefallen tut. Große Diskrepanzen auf Bundesebene färben natürlich auch hier in Hamburg ab. Das macht es für die wahlkämpfenden Akteure wirklich schwierig.
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taz: Was hilft bei der Unterscheidung?
Kleinen-von Königslöw: Es ist schwer, dagegen durchzukommen. Wenn es klappt, dann eher über konkrete lokale Themen. Beispielsweise der Bereich Verkehrspolitik. Der eignet sich dazu noch gut für den Plakatwahlkampf an Stellen, wo Leute im Stau stehen und hinausstarren. Eigentlich sollte es immer das Ziel sein, auf Hamburger Themen zu setzen. Davon profitiert im Zweifelsfall auch die Partei auf Bundesebene, weil sich die Menschen vor Ort besser mit diesen Themen identifizieren können.
taz: Was macht ein gelungenes Wahlplakat aus?
Kleinen-von Königslöw: Ein gelungenes Wahlplakat ist in der Kommunikation sehr einfach: Es kombiniert einen Kandidaten mit einem klaren Schlagwort und ist in der Farbgebung eindeutig. Je eindeutiger, desto besser. Bei den Kandidat:innenfotos geht es darum, zeitgemäß und sympathisch zu wirken. Was mir bereits aufgefallen ist: Dieses Jahr wird definitiv mehr gelächelt. Unsere Gewohnheiten verändern sich dahingehend, weil wir unter anderem viel in die USA schauen. Da ist großes Lächeln viel üblicher.
taz: Welche Rolle spielt der Startschuss zum Vorwahlkampf auf Social Media?
Kleinen-von Königslöw: Das spielt letztendlich gar keine Rolle. Das ist insgesamt ein Phänomen: Der Wahlkampf dehnt sich immer weiter aus, sodass man am Ende kaum unterscheiden kann zwischen Wahlkampfperioden und Nicht-Wahlkampfperioden. Das gilt insbesondere auf Social Media, wo politische Akteur:innen ja ständig präsent sein müssen.
taz: Schlägt die Präsenz auf Social Media denn die Wahlplakate in ihrer Wirkung?
Kleinen-von Königslöw: Man darf die Wirkung von Wahlplakaten nie unterschätzen. Viele Leute fragen sich immer, ob das überhaupt noch zeitgemäß ist. Aber da Wahlplakate einfach so präsent sind im Alltag und es das einzige Werbemedium ist, dem sich niemand entziehen kann, erhöhen sie die Sichtbarkeit der Parteien extrem. Social Media ist immer relevanter geworden, weil es inzwischen auch im Alltag der meisten Menschen eine so große Rolle spielt. Und weil die Parteien da im Vergleich zu anderen klassischen Medien überhaupt die Möglichkeit haben, viel mehr zu gestalten. Fernsehwerbung ist sehr teuer und hat strenge Regularien. Dagegen ist Social Media The Wild West.
taz: Wie wird der Wahlkampf auf Social Media angepasst?
Die offizielle Vorwahlzeit für die Bundestags- und die Bürgerschaftswahl in Hamburg beginnt heute.
Kleinen-von Königslöw: Auf Social Media gibt es die Möglichkeit, mehr unterschiedliche Motive zu gestalten. Und Parteien können ihre Botschaft zielgruppengerechter anpassen. Es funktioniert umso besser, je mehr Trends aufgegriffen werden. In der Regel wird versucht, es lustiger, interaktiver und mitunter provokanter zu machen.
taz: Zum Beispiel?
Kleinen-von Königslöw: Das gezielte Angreifen anderer Parteien und Kandidat:innen. In der Plakatwerbung sehen wir das selten.
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