Politische Krise in Hongkong: Auslieferungsgesetz beerdigt
Hongkongs Regierung zieht den Entwurf zurück, der es erlaubt hätte, Gefangene nach China zu überstellen. Der Plan war Auslöser für anhaltende Proteste in der Stadt.
Allerdings ist noch unklar, ob die Entscheidung auch ein Ende der teils in Gewalt umgeschlagenen Kundgebungen bedeutet. Denn die Demonstranten fordern auch die Freilassung aller Festgenommenen und das Recht der Hongkonger, ihre Führung selbst zu wählen. Dennoch schloss die Börse in Hongkong mehr als vier Prozent im Plus, nachdem die Absicht Lams bekanntgeworden war.
Lam hatte das umstrittene Auslieferungsgesetz auf Druck der Demonstranten bereits vor Wochen für tot erklärt und auf Eis gelegt, den Entwurf aber nicht wie gefordert zurückgenommen. Das Gesetz hätte vorgesehen, dass Bürger der chinesischen Sonderverwaltungszone, die Vergehen beschuldigt werden, an das chinesische Mutterland ausgeliefert werden können. Menschenrechtler werfen China jedoch willkürliche Festnahmen, Folter und fehlenden Rechtsbeistand für Angeklagte vor.
In ersten Reaktionen auf das Ende des Auslieferungsgesetzes, äußerten Aktivisten ihre Erleichterung, machten aber deutlich, dass ihnen der Rückzug nicht ausreicht. Die Demonstranten verlangen aber auch Lams Rücktritt und dass die Regierung in Zusammenhang mit den zum größten Teil friedlichen Protesten nicht von Aufruhr spricht. Nach Hongkonger Gesetz ist damit eine nicht erlaubte Versammlung von drei oder mehr Personen gemeint. Zudem soll es nach dem Willen der Protestbewegung eine unabhängige Untersuchung des gewaltsamen Vorgehens der Polizei geben.
Rücktrittsgerüchte um Lam
An dem Gesetzentwurf hatten sich die Proteste der Demokratiebewegung vor mehr als drei Monaten entzündet. Seit Mitte Juni weiteten sie sich stetig aus. Dabei kam es mehrfach zu Besetzungen des Flughafens und zu Zusammenstößen mit der Polizei, die Tränengas und Schlagstöcke einsetzte. Die Demonstranten werfen Lam zu große Nähe zur Führung in Peking vor. Lam hat einen Rücktritt wiederholt abgelehnt. Am Dienstag sah sie sich allerdings genötigt, in einer eigens einberufenen Pressekonferenz Rücktrittsabsichten zu dementieren. Auslöser war ein Reuters-Bericht, wonach die Politikerin selbst geäußert hatte, sie würde ihr Amt aufgeben, wenn ihr dies möglich wäre.
Der früheren britischen Kronkolonie Hongkong wurden nach der Übergabe an China 1997 unter der Formel „ein Land, zwei Systeme“ besondere Rechte wie das der freien Meinungsäußerung eingeräumt, die in der Volksrepublik tabu sind. Diese Rechte sehen die Regierungskritiker nun gefährdet. China hat die Proteste wiederholt scharf kritisiert und vor Auswirkungen auf die Wirtschaft Hongkongs gewarnt. Die Führung in Peking drohte, sie werde nicht tatenlos zusehen, sollten die Unruhen die Souveränität und Sicherheit Chinas bedrohen.
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