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Politische Justiz in KambodschaNeue Haftstrafe für Oppositionspolitiker

Der Politiker Rong Chhun wollte sich seine Kritik an der autoritären Regierung nicht verbieten lassen. Nun soll er für vier Jahre in Haft.

Rong Chhun spricht am Montag vor dem Gerichtsgebäude in Phom Penh zu Journalisten Foto: Heng Sinith/ap

Berlin taz | Ein Gericht in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh hat den Gewerkschafter und Oppositionspolitiker Rong Chhun am Montag zu vier Jahren Haft verurteilt. Er wurde von Richter Li Sokh für schuldig befunden, in Interviews und sozialen Medien im letzten Sommer Dorfbewohner zu sozialen Unruhen aufgewiegelt zu haben, die von einem Bauprojekt der Regierung vertrieben wurden.

Auch wurde ihm ungerechtfertigte Kritik an der Grenzmarkierungspolitik der Regierung gegenüber Vietnam sowie an deren Umgang mit Onlinebetrugsfabriken vorgeworfen. Dies berichteten die Nachrichtenwebseite Camboja News und die lokale Menschenrechtsorganisation Licadho übereinstimmend. Die kambodschanische Opposition wirft der Regierung vor, bei der Grenzziehung gegenüber dem Nachbarland Vietnam zu großzügig gewesen zu sein.

Neben der Haftstrafe erhielt Rong Chhun, der im Jahr 1969 geboren wurde, jetzt eine Geldstrafe von umgerechnet rund eintausend US-Dollar. Auch wurde ihm das aktive und passive Wahlrecht dauerhaft entzogen. Er hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Am Montag nahm er nicht an der Gerichtsverhandlung teil, sondern sprach vor dem Gerichtsgebäude zu Anhängern und Medien. Er habe damals lediglich Fotos von sich mit den Dorfbewohnern und Kommentare bei Facebook gepostet. Das Urteil nannte er „politisch motiviert“. Sein Fall zeige, dass „Kambodscha keine volle Demokratie hat und jeder populäre Politiker mit einer von der Regierung abweichenden Meinung von der Politik ausgeschlossen wird.“ Die Herrscher müssten aufhören, „die Justiz zur Unterdrückung von Politikern zu nutzen.“

Richter Li Sokh ordnete nach der Urteilsverkündung aber offenbar nicht die sofortige Festnahme Rong Chhuns an, sondern erlaubte ihm, womöglich bis zur Entscheidung über ein Revisionsverfahren, auf freiem Fuß zu bleiben.

Spirale der Parteiverbote

Rong Chhun war zuletzt Berater der oppositionellen National Power Party. Im vergangenen Dezember war bereits deren Vorsitzender Sun Chanthy zu zwei Jahren Haft wegen Unruhestiftung verurteilt worden.

Die 2023 gegründete Partei ist Nachfolgerin der im selben Jahr von der Wahl ausgeschlossenen Candlelight Party. Die war 2018 als Nachfolgerin der zuvor verbotenen Sam Rainsy Party gegründet worden, die 1998 die Nachfolge der Khmer Nation Party angetreten hatte.

Alle diese Oppositionsparteien gerieten immer dann in existenzielle Schwierigkeiten, wenn sie der seit 1979 regierenden Volkspartei des autoritären Langzeitherrschers Hun Sen gefährlich zu werden drohten. Im Sommer 2023 hatte der seit 1985 regierende Hun Sen die Macht offiziell an seinen Sohn Hun Manet abgegeben, zieht aber im Hintergrund weiter die Fäden.

Der jetzt verurteilte Rong Chhun war früher auch Vorsitzender des Gewerkschaftsverbandes und der Lehrergewerkschaft sowie Mitglied der Wahlkommission gewesen. Schon 2020 war er verhaftet und 2021 zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Schon damals wurde ihm ungerechtfertigte Kritik an der Grenzmarkierungspolitik der Regierung gegenüber Vietnam vorgeworfen. Später wurde er im Revisionsverfahren teilweise freigesprochen, doch war jetzt im April sein Vermögen beschlagnahmt worden, weil er eine Strafe nicht bezahlt hatte.

Umweltschützer scheitern mit Berufung

Zuletzt hatte am 30. April ein Berufungsgericht fünf jungen Aktivisten der mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichneten Umweltgruppe Mother Nature eine Haftverschonung verweigert, wie die Menschenrechtsorganisation Licadho berichtete. Die fünf sitzen seit dem 2. Juli 2024 in Haft. Sie und fünf weitere, die untergetaucht sind, sind wegen Verschwörung und Beleidigung des Königs zu Haftstrafen verurteilt worden. In Wirklichkeit dürfte die Regierung stören, dass sie die verbreitete Korruption für Umweltzerstörung verantwortlich gemacht haben. Kambodscha ist eine konstitutionelle Monarchie.

Anfang Januar war direkt nach seiner Ankunft in Thailands Hauptstadt Bangkok der kambodschanische Oppositionspolitiker Lim Kimya am helllichten Tag erschossen worden. Der mutmaßliche Attentäter gilt als Vertrauter von Hun Sen.

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