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Politische Justiz in ÄgyptenGericht bestätigt Todesurteil

Ein ägyptisches Gericht hat das Todesurteil gegen Ex-Präsident Mohammed Mursi wegen eines Gefängnisausbruchs 2011 bestätigt.

Das bestätigte Todesurteil gegen Mursi ist nur die jüngste einer ganzen Reihe von harten Bestrafungen seiner Muslimbruderschaft durch Ägyptens Justiz. Foto: dpa

Kairo taz | Die ägyptische Justiz geht weiterhin auf vollen Konfrontationskurs mit der Muslimbruderschaft. Am Dienstag bestätigte ein Kairoer Gericht das Todesurteil gegen den ehemaligen Präsidenten Muhammad Mursi und fast die gesamte Führungsriege der Muslimbruderschaft.

Darunter waren der Chef der Muslimbruderschaft, Muhammad Badia, der ehemalige Parlamentspräsident Saad Katatni und Kheirat El-Shatr, der als die graue Eminenz der Organisation gehandelt wurde. Insgesamt wurden die Urteile in zwei verschiedenen Verfahren bestätigt.

Mursi bekam im ersten Prozess, in dem es um Spionage und die Verbreitung von Informationen an ausländische Organisationen ging, zunächst eine lebenslängliche Haftstrafe. Im zweiten Verfahren, in dem ein Gefängnisausbruch in den chaotischen Tagen der Revolution verhandelt wurde, wurde er erneut zum Tod durch den Strang verurteilt. Insgesamt wurden 99 Todesurteile bestätigt, die meisten allerdings in Abwesenheit der Angeklagten.

Das Urteil gegen Mursi dürfte allerdings zunächst nicht vollstreckt werden, denn die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Kairos Kassationsgericht das Urteil wegen Verfahrensfehlern aufhebt und es zu einer Neuverhandlung kommt. Einer von Mursis Anwälten, Muhammad Schibl, sieht den Prozess als einen politischen.

„Laut der Beweislage hätten die Angeklagten eigentlich freigesprochen werden müssen, aber das Gericht hat von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, dass es die Angeklagten schuldig sprechen wird“, meinte Schibl. Der Anwalt kündigte an, mit dem Team der anderen Verteidiger in Berufung zu gehen.

„Teuflische Absichten“

Tatsächlich hatte Richter Schaab El-Schami wenig Zweifel an seiner Gesinnung gelassen. Er hielt vor dem Urteil eine längliche Rede über die Geschichte der Muslimbruderschaft und deren „teuflische Absichten“. Mit dem 30. Juni 2013 sei deren Herrschaft beendet worden, die zu „Tränen des Volkes“ geführt habe. Es sei „Licht ins Dunkel gebracht worden“, mit Hilfe des Militärs, das Mursi abesetzte.

Als die Angeklagten wenige Minuten vor Prozessbeginn in den Gerichtskäfig gebracht worden waren, machten sie deutlich, dass sie das Gericht nicht anerkennen und stimmten trotzig Slogans „zum Sturz der Militärregierung“ an, bis ihnen das Mikrofon abgedreht wurde. Hinter den schalldichten Scheiben waren ihre Rufe dann nur noch zu sehen, aber nicht mehr zu hören – eine gespenstische Szene.

„Die Urteile sind ein weiterer Nagel im Sarg der ägyptischen Demokratie und der Höhepunkt von fast zwei Jahren Erosion der Menschenrechte seit dem Militärputsch“, ließ die Muslimbruderschaft nach der Entscheidung des Gerichtes verlauten.

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