Politische Invasion der US-Milliardäre: Vom Versuch, ein Amt zu kaufen
Vor den Kongresswahlen in den USA werden immer mehr Millionäre zu politischen Kandidaten. Wissenschaftler sprechen schon von "einem beunruhigendem Trend".
WASHINGTON afp | Die Superreichen greifen nach der Macht, Dollar-Bündel pflastern ihren Weg an die Spitze. Reihenweise treten bei den Kongresswahlen in den USA am 2. November Millionäre und Milliardäre an, die ihre Karriere mit einem Staatsamt krönen wollen. Ihren Wahlkampf finanzieren sie aus eigener Tasche, Geld spielt keine Rolle. Die von Dollar-Millionen gespeiste Materialschlacht lässt die Vergabe politischer Spitzenämter im demokratischen Wettbewerb wie eine Auktion der Meistbietenden erscheinen - und sie wirft die Frage auf: Lassen sich Wahlsiege in den USA einfach kaufen?
Königin der Krösuskandidaten ist die republikanische Milliardärin Meg Whitman. Die frühere Chefin des Internetkonzerns Ebay hat mehr als 140 Millionen Dollar (etwa 100 Millionen Euro) aus ihrem Privatvermögen ausgegeben, um damit ihren Wahlkampf für das Gouverneursamt in Kalifornien zu finanzieren. Das Magazin "Time" rechnete vor: Mit der Summe könnte man ein halbes Dutzend F-16-Kampfjets, 25 Ferraris und obendrein noch eine Luxusvilla kaufen.
"Wir erleben derzeit einen beunruhigenden Trend, dass Millionäre zu politischen Kandidaten werden", sagt Sean Kelly, Politikprofessor an der California State University. "Die Parteien suchen richtiggehend nach solchen Kandidaten, weil sie für diese kein eigenes Geld auftreiben müssen." Denn der Wahlkampf in den USA ist teuer. In diesem Jahr werden Kandidaten und Parteien die Rekordsumme von 3,4 Milliarden Dollar ausgeben, schätzt das Wahlkampf-Aufsichtsinstitut Center for Responsive Politics in Washington. Die gesamte Summe stammt aus privaten Spenden, für die Kongresswahlen gibt es keine Staatsfinanzierung.
Der US-Wahlkampf 2010 ist ein Paradox. Die schlechte Wirtschaftslage lastet auf den Wählern und schürt Abstiegsängste bis weit in den Mittelstand. In den parteiinternen Vorwahlen aber konnten sich vielerorts schwer reiche Außenseiter als Kandidaten durchsetzen.
Im Bundesstaat Connecticut will die Unternehmerin Linda McMahon, ehemalige Chefin des Wrestling-Konzerns WWE, bis zu 50 Millionen Dollar aus eigener Tasche für ihre republikanische Senatskandidatur ausgeben. Die frühere Hewlett-Packard-Chefin Carly Fiorina zahlte in Kalifornien mehr als fünf Millionen Dollar aus ihrem Privatvermögen für ihren Senatswahlkampf. Der wegen Betrugs vorbestrafte Unternehmer Rick Scott sicherte sich mit mehr als 20 Millionen Dollar eigenen Geldes die republikanische Spitzenkandidatur als Gouverneur in Florida.
Nach Angaben des Center for Responsive Politics gibt es mehr als 20 Kongresskandidaten, die bereits mehr als eine Million Dollar aus eigener Tasche ausgegeben haben. Die Invasion der Superreichen schaffe "wirkliche Probleme", warnt Politikprofessor Kelly. Die Millionäre müssten nicht durch die Ortsvereine ziehen und um Kleinspenden werben. Der Wahlkampf werde zur reinen Werbekampagne - zu Lasten der politischen Substanz.
Wie sieht es nun also mit den Wahlchancen der reichen Kandidaten am 2. November aus? Der Politikwissenschaftler Matt Dickinson von der Middlebury-Universität in Vermont hat am Beispiel der letzten Kongresswahl den Zusammenhang zwischen Geld und Wahlerfolg untersucht. Sein Ergebnis: Damals hätten in 93 Prozent der Fälle jene Wahlkreiskandidaten gewonnen, die mehr Geld hatten als ihr Gegner.
"Heißt das also, dass man Wahlen kaufen kann? Ich bin mir nicht sicher, ob man so weit gehen darf", sagt Dickinson. Gute Chancen hätten vor allem jene Kandidaten, deren Budget aus vielen Fremdspenden gespeist werde. Bei selbst finanzierten Kandidaturen von Millionären sei der Erfolg weniger gewiss.
Folgt man den aktuellen Umfragen, wird etwa die Kalifornierin Meg Whitman ihre Millionenausgaben wohl als schlechteste Investition ihres Lebens abschreiben müssen. Sie liegt in Umfragen hinter ihrem viel ärmeren Gegner Jerry Brown. Auch die Wrestling-Managerin McMahon und die Ex-Unternehmerin Fiorina liegen trotz des tiefen Griffs in die eigenen Taschen hinten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt