piwik no script img

Politisch aktiver Kurde aus NürnbergUnd wieder droht die Abschiebung

Murat Akgül soll zum zweiten Mal in die Türkei abgeschoben werden. Sein Anwalt befürchtet, dass der Kurde dort inhaftiert wird.

Das Verwaltungsgericht Augsburg revidierte den Offensichtlichkeitsbescheid des Bamf Foto: Daniel Karmann/dpa/picture alliance

Nürnberg taz | Das Leben von Murat Akgül verlief in geordneten Bahnen: Der Kurde wohnte seit 30 Jahren in Nürnberg, hatte sich eine Eigentumswohnung zugelegt und eine Familie gegründet. Dann brachte der deutsche Verfassungsschutz sicherheitsrechtliche Erkenntnisse gegen ihn vor, die zu einem Ausweisungsbescheid der Ausländerbehörde Nürnberg führten. Im Mai 2019 wurde er in die Türkei abgeschoben.

Der Hintergrund: Murat Akgül setzt sich für die Rechte der Kur­d*in­nen in der Türkei ein und hat in dem Zusammenhang mehrmals an Demonstrationen teilgenommen. Dabei habe er auch eine Fahne der Kurdenmiliz YPG getragen. Der Verfassungsschutz vermutet eine Funktionärstätigkeit für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, Akgül bestreitet das. Keine Veranstaltung, an der er teilgenommen hat, sei verboten gewesen oder von einer verbotenen Organisation angemeldet worden, betont er.

Als er in die Türkei abgeschoben wurde, musste er die Grenzpolizei über die Gründe für seine Abschiebung anlügen, erzählt Akgül. Sonst wäre er wohl festgenommen worden. Er tauchte unter und floh mit der Hilfe von Schleppern zurück in Richtung Deutschland: vier Wochen über die Balkanroute, eine höllische Odyssee.

Der Vater von vier Kindern darf bis heute nicht wieder zu Hause einziehen. Zunächst lebte er in einem Ankerzentrum, heute in einer Gemeinschaftsunterkunft bei Augsburg. Dreimal wöchentlich muss er sich bei der Polizei melden. Sein Anwalt Yunus Ziyal teilt mit, dass die Klage eines Kollegen gegen die Ausweisung von Akgül nach wie vor beim Verwaltungsgericht Ansbach liegt.

In der Türkei droht Akgül die Festnahme

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat den Asylantrag des zurückgekehrten Murat Akgül im November 2020 als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Dabei handelt es sich um eine verschärfte Ablehnung, durch die der Asylbewerber mit einer sofortigen Abschiebung rechnen muss.

Ziyal reichte sofort einen Eilantrag gegen die Entscheidung ein. Er halte sie für absurd: „Man muss davon ausgehen, dass Herr Akgül den Behörden in der Türkei spätestens jetzt bekannt ist und bei der Einreise sofort festgesetzt würde. Bei Verfahren gegen Kurdinnen und Kurden ist Folter nicht auszuschließen.“

Tatsächlich revidierte das Verwaltungsgericht Augsburg den Offensichtlichkeitsbescheid des Bamf, nicht aber die Ablehnung des Asylantrags an sich. Auf Anfrage teilt das Gericht mit, Akgül habe nicht glaubhaft machen können, dass ihm „mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht“.

Das Gericht argumentiert, dass Akgül nicht „vorverfolgt“ geflohen sei. Die Polizei in Istanbul habe ihn zwar mehrere Stunden vernommen, im Endeffekt aber keine Klage gegen ihn erhoben. Außerdem gehe aus den in der Zwischenzeit über den Fall erschienenen Artikeln nicht hervor, dass Akgül Mitglied der PKK sei, er habe ja in der Tat nur an Demonstrationen teilgenommen.

An dieser Stelle wird es juristisch etwas „widersprüchlich“, sagt der Anwalt Yunus Ziyal. Während das Verwaltungsgericht Augsburg seinen Mandanten nicht für ausreichend involviert in die Strukturen der PKK halte, um in der Türkei tatsächlich Verfolgung befürchten zu müssen, rechnen die bayerischen Behörden ihn genau diesen Strukturen zu, um eine Ausweisung zu rechtfertigen.

Menschen wie Herrn Akgül gibt es Hunderte in Deutschland. Es ist ein bisschen, als hätte man sich genau auf ihn eingeschossen und will den Fehler nun nicht korrigieren

Anwalt Yunus Ziyal

Auch nach drei Jahren in diesem Verfahren kann sich Yunus Ziyal die besondere Härte des Vorgehens gegen seinen Mandanten, der in der Zwischenzeit auch nicht mehr auffällig geworden sei und in Augsburg wieder als Gebäudereiniger arbeitet, nicht vollständig erklären: „Es ist ein Reflex gegen politisch aktive Kurdinnen und Kurden. Wenn die Verfolgungsbehörden aber Erkenntnisse hätten, die auf eine Bedrohung hinweisen, sollen sie ihn anklagen. Das passiert aber genau nicht. Menschen wie Herrn Akgül gibt es Hunderte in Deutschland. Es ist ein bisschen, als hätte man sich genau auf ihn eingeschossen und will den Fehler nun nicht korrigieren.“

Während Murat Akgül und sein Anwalt nun darauf warten, dass das Verwaltungsgericht Ansbach den Prozess um seine Ausweisung terminiert, läuft die Frist ab, in der er das Land erneut verlassen müsste. Yunus Ziyal überlegt unterdessen, welche migrationsrechtlichen Instrumente ihm im weiteren Verlauf überhaupt noch zur Verfügung stehen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Das funktioniert ja ziemlich perfekt, dass Erdogans Gewaltregime gegen Kurden von Deutschland immer noch unterstützt wird.