Polemik Radfahren in Berlin: Die Sommerradler wieder!
Der Frühling ist da. Und mit ihm all jene Radfahrer, die man nicht so nennen kann. Denn sie sind schlicht ein Verkehrshindernis. Was tun?
Zwölf Grad schon morgens. Sonne im Gesicht beim Radeln. Trockene Wege gab es schon im Februar, aber da war es noch eiskalt. Jetzt aber ohne Handschuhe mehr an den Fingern auf dem Weg zur Arbeit – wann gab es das zuletzt? Im vergangenen September?
Herrlich – wenn da nicht genau seit diesen Tagen diese anderen wären. Jene Schönwetterradler, die jetzt zwar auch auf einem Rad sitzen, aber den ganzen Winter – also seit September – nicht zu sehen waren. Jene, die ihr Rad erst mit diesen ersten warmen Sonnenstrahlen wieder aus dem Keller oder dem Geräteschuppen geholt haben. Jene Gruppe hat mit Ganzjahresfahrern soviel zu tun wie der Tourist mit dem Traveller: nämlich nur, dass beide irgendwie unterwegs sind.
Wo waren diese Sonnenradler denn, als unsereins auch in langen Fahrten durch Dunkelheit und Kälte Präsenz gezeigt und bei Autofahrern die vage Erinnerung wach gehalten hat, das Radfahrer stets und zu jeder Jahres- und Tageszeit zu berücksichtigen sind? Weg waren sie, als wir das Terrain verteidigten, auf dem das neue Radgesetz – nächste Woche erstmals im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses – seine sicheren Radwege bauen wird.
Jetzt blockieren sie die Abstellbügel
Nirgendwo waren sie, aber jetzt blockieren ihre Räder plötzlich die Abstellbügel. Und auf der Strecke sind sie natürlich wegen mehrerer Monate Trainingsausfall dezidiert langsamer unterwegs – schlicht gesagt: ein Verkehrshindernis. Was die Sommerradler aber nicht davon abhält, trotzdem in der Radwegmitte zu fahren.
Die bei den Wirtschaftsbossen so kritisierten Boni – hier wären sie mal gerechtfertigt. Ab 1.000 Kilometer Winterfahrstrecke gäbe es da einen reservierten Abstellplatz direkt neben der Haustür – ungefähr so wie bei vielen Zug-Kilometern einen Platz auf den bahn-comfort-Sitzen.
Außerdem wird nun klar, was im künftigen Radgesetz noch fehlt: Nicht nur die angestrebten protected bike lanes müsste es geben, sondern eine extra fast lane, also eine Schnellfahrspur. Grün sollen die künftigen Radwege ja sein – wieso dann nicht hellgrün für Radler ab Tempo 20, 25 und dunkelgrün für gemütlichere? Hat nichts mit besser oder schlechter zu tun, sondern mit reiner Konfliktvermeidung.
Aber das wird wohl nicht kommen. Schon in seiner jetzigen Form war das Radgesetz ja umstritten genug.
Und ein Blick auf den Wetterbericht macht auch keine Hoffnungen auf leerere Radwege: 22 Grad am Montag und dann Sonne, Sonne, Sonne – und erst am Freitag nächster Woche wieder ein bisschen Hoffnung auf Regenwetter.
Leser*innenkommentare
Gegen Gift
Sehr lustiger Artikel. Zumindest für alle, die die Selbstironie bemerken. Als tendenzieller Kampf- und beinharter Winter-Radler finde ich mich in den Gedankengängen des Autors wieder, auch wenn ich niemals zugeben würde, dass mich der gleiche Stolz über Schönwetter- und Schnecken-Radler den Kopf schütteln lässt.
Nhat Quang Tran
Das ist nicht der Winter. Das ist die Vorsaison! Die beste Zeit für echte Radfahrer: //http://www.veloq.de/2017/09/11/into-darkness-als-rennradfahrer-in-die-dunkelheit/
Velofisch
Was soll das, die verschiedenen Radfahrer_innen gegeneinander auszuspielen. Gab es schon mal einen Artikel in der taz, in der die einen Autofahrer_innen den anderen vorgeworfen haben, dass sie völlig unnötig unterwegs seien und deshalb die Straßen blockieren würden? Langsame Radler_innen gibt es auch unter den Alltagsradler_innen. Problem an den Schönwetterradler_innen ist eher deren mangelnde Praxiserfahrung. Die kommt aber in den nächsten Wochen wieder. Breite Radwege, auf denen auch überholt werden kann, sind nicht nur sinnvoll, sondern inzwischen auch Vorschrift - aber leider trotzdem vielfach nicht vorhanden. Im Verkehr gibt es die Ziele "Sicherheit" und "Leichtigkeit". Die "Leichtigkeit" ist dabei die Möglichkeit schnell und bequem von A nach B zu kommen. Die Ursache für die meisten Radfahrunfälle ist, dass die "Leichtigkeit" des Autoverkehrs stärker gewichtet wird, als die "Sicherheit" des Radverkehrs - sei es von den Verkehrsplanern oder von den individuellen Autofahrer_innen. Die "Leichtigkeit" des Radverkehrs dagegen bleibt fast immer auf der Strecke. Dafür zu plädieren ist wichtig. Das Auseinanderdividieren der verschiedenen Radfahrer_innen ist dagegen unsinnig und kontraproduktiv.
Hanne
Jeden Winter wieder die gleiche Frage: "Sie sind mit dem Rad gekommen?!"
Ja, womit denn sonst?
Auch bei uns am Bahnhof diese Woche das erste Mal an meinem bevorzugten (Abseits-)Fahrradbügelplatz gerade noch so einen freien Platz gefunden. Seit September war fast alles frei gewesen.
P.S.: Ich bin kein Kampfradler
aujau
Liebe Kampfradler, ihr habt ja Recht. Wenn ihr dann noch aufhören könntet, die FussgaengerInnen an der Ampel zu schneiden, wenn die bei Grün die Straße überqueren wollen, hätte ich mehr Verständnis für die Beschwerde.
Herbert Zahn
@aujau Ich bin immer erstaunt, wie passiv von Radfahrern gefährdete Fussgänger meistens sind. Sie springen demütig zur Seite, dabei ist es als Fussgänger so einfach einen rücksichtslosen Radfahrer vom Rad zu holen.
aujau
@Herbert Zahn Kenne den Trick nicht. Müsste dann auch wütend genug sein, um mich mit einem kraeftigerem Mann anzulegen. Außerdem sollte nicht unbedingt ein Kind dabeisein. Wie geht nochmal der Trick, einen Radler runterzuholen?
Hoimrdengr
@aujau Das Geheimnis ist der Lenker.