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Pogačar gewinnt Tour de FranceViel Sieg, viel Feind, viel Ehr

Tadej Pogačar gewinnt die diesjährige Tour de France und bricht dabei einige Rekorde. Der Slowene zeigte sich dominant und unerbittlich.

Der momentane Prinz des Straßenradsports: Tadej Pogačar Foto: Daniel Cole / AP

Nizza taz | Historie ist geschrieben, das Double ist vollbracht. 26 Jahre nach Marco Pantani gelang Tadej Pogačar erneut eine der größten Leistungen, die im Straßenradsport denkbar sind. Nach dem Giro d’Italia gewann er im gleichen Jahr die Tour de France. Beeindruckend war, wie er dies vollzog. Beide Male präsentierte er sich als absoluter Dominator. Den Gesamtsiegen bei beiden Rundfahrten fügte er noch jeweils sechs Etappensiege hinzu.

Dabei gewann er auf jedem Gelände und bei jedem Profil, seien es kleine Berge, große Schotterstrecken oder glatter Asphalt, der im Zeitfahren bezwungen werden muss. Nein, nicht bezwungen, überflogen. Denn der Slowene erwies sich als wahrer Überflieger seines Sports. „Es gibt kein Etappenprofil und keinen Untergrund, auf dem Tadej besonders bevorzugt ist. Er ist einfach gut auf allem. Er ist der Beste der Welt“, frohlockte Matxin Fer­nandez, Sportdirektor beim siegreichen Rennstall UAE Emirates, gegenüber der taz.

Vor allem in den Bergen herrschte er. Sechs neue Kletterrekorde stellte er auf, entthronte dabei vergangene Größen des Sports wie Marco Pantani und Miguel Indurain. Auch der große Eddy Merckx hat einen Rekord weniger. Keinen Kletter-, nur einen Statistik­rekord. 37 Tage lang trug der Belgier bei seinem Double-Unternehmen 1970 das rosa Trikot des Giro und das gelbe Leibchen der Tour. Pogačar brachte es auf 39 Tage, auch das: eine Zahl für die Ewigkeit.

Der erst 25-Jährige war derart dominant, dass Mark Cavendish, frischgebackener Rekordhalter mit 35 Tagessiegen bei der Tour, halb fröhlich, aber auch halb besorgt nachfragte: „Tadej, hast du schon meinen Rekord im Blick?“ Pogačar lachte und betonte auf der Abschlusspressekonferenz: „Vielleicht in 30 Jahren, wenn ich mich zurücklehne und in den Annalen blättere. Jetzt will ich aber vor allem gewinnen.“

52 Renntage, 21 Siege

Im Gewinnen hat er tatsächlich Übung; 21 Siege, inklusive der beiden Gesamtsiege bei Giro und Tour hat er in diesem Jahr bei nur 52 Renntagen erzielt. In einem Sport, in dem es jeden Tag, bei jedem Rennen mehr als 100 Verlierer gibt, ist das enorm.

Neu ist die Unerbittlichkeit des Slowenen. Vor allem in der dritten Woche zeigte er diebische Freude darin, seinen Hauptrivalen vom Rennstall Visma-Lease a Bike Etappensiege zu verwehren. Auf der 19. Etappe holte er den per Fluchtgruppe enteilten Helfer von Jonas Vingegaard, den danach enttäuschten US-Amerikaner Matteo Jorgenson, ein. Am Folgetag sprintete er Vingegaard selbst nieder.

„Ich hatte gehofft, Tadej würde mir den Etappensieg überlassen“, meinte der Däne geknickt. Um das Demütigungstriple vollzumachen, holte er noch einen überlegenen Sieg im Zeitfahren. Wieder war Vingegaard der erste Geschlagene. Auch Remco Evenepoel, Weltmeister in der Disziplin und Sieger des ersten Tourzeitfahrens, musste erkennen: Selbst seine Bäume wachsen nicht in den Himmel, wenn ein Pogačar an der Startlinie steht.

Auf die Frage, wie er es mit den pharmazeutischen Hilfen hielt, äußerte der Übersieger dieser Saison zunächst Verständnis. Für die Zweifel und das Misstrauen, was er angesichts der langen Betrugsgeschichte für vollkommen gerechtfertigt hielt. Dann aber drehte er den Diskurs auf Dominatorenmodus: „Wer keine Leute hat, die einen hassen, der hat auch keinen Erfolg.“

Vom Prinz zum Herrscher?

Von jedermanns Liebling, der gemocht wurde, weil er den Radsport so leidenschaftlich offensiv interpretiert, niemals zaudert oder zögert, sondern ein großes Spektakel liefert, wurde er zu einem, dem es gefällt, wenn ihm nicht Zuneigung, sondern Ablehnung entgegengebracht wird. „Viel Feind, viel Ehr“, sagte vor etwa 500 Jahren Landsknechtführer Georg von Frundsberg. Pogačar, vor Kurzem noch der zauberhafte Prinz des Straßenradsports, hat sich zum Erwachsenwerden einen harten Weg gewählt: Herrscher sein.

Man kann nur wünschen, dass ihm jemand wieder die Grenzen aufzeigt. „Wir werden uns etwas einfallen lassen, um Pogačar im nächsten Jahr zu bezwingen“, nahm zumindest Grischa Niermann, sportlicher Leiter von Visma-Lease a Bike, die Herausforderung an.

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4 Kommentare

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  • Grenzen werden ihm vermutlich irgendwann die Antidpoing-Agenturen aufzeigen. Bis dahin müssen wir uns solche Artikel antun. Sorry, liebe taz: etwas mehr kritische Distanz wäre nett. Zumal die Herren Pantani, Indurain oder auch Merckx allesamt "Charger" waren.

    • @Libuzzi:

      Welche Distanz wünschen Sie denn? Stand jetzt gibt es außer schlecht begründeten Mutmaßungen keinerlei Informationen über Doping bei Pogacar und den anderen Rekordbrechern. Vayer, der auch immer Froomes Leistungen kritisch sah, hat letztens ein Interview mit der NZZ gegeben. Da hat er auch nur gemotzt, aber keinerlei Stichhaltiges geliefert. Man ist da übrigens auch schnell bei Verleumdung. Außerdem gibt es einen TAZ-Artikel über aktuelle Vermutungen im Radsport bezüglich Dopings taz.de/Doping-bei-...e-France/!6020733/. Man wird in absehbarer Zeit anfangen darauf zu testen und wird dann sehen, falls das Nachweistechnisch geht, die aktuell genommen Proben solche Mittel aufweisen.

      • @FancyBeard:

        Zweifel sind angebracht, oder können Sie stichhaltig erklären, warum Pogacar und auch die anderen Spitzenfahrer selbst die übelsten Doper heute wie Sonntagsspazierfahrer aussehen lassen? Der Nachweis ist noch nicht geführt, das stimmt, dennoch muss man deswegen nicht gleich den gesunden Menschenverstand zu Hause lassen.

        • @Bambus05:

          Im Spitzensport sind immer Zweifel angebracht, bei den enormen Leistungssteigerungen der letzten 2 Jahren beim Radsport noch mehr. Aber es gibt eben auch diverse Erklärungen im legalen Bereich, warum es gerade jetzt zu diesen massiven Sprüngen kommt, die übrigens alle Fahrer betreffen, nicht nur die Spitze. Ein 39 Jähriger Mark Cavendish ist im Grupetto, also der letzten Gruppe, Zeiten gefahren, die vor 10 Jahren noch zu einer Top 50 Platzierung gereicht hätten. Die TAZ hat ja auch einige dieser Verbesserungen in Artikeln aufbereitet. Man darf beim Radsport immer nicht vergessen, dass diese ihre Wirkung über mehrere Stunden einer Etappe und eine 3 wöchige Rundfahrt mit Regenerationsphasen wirken. Und Radsport war vor Team Sky vor 10 Jahren eben noch unfassbar unprofessionell im Vergleich zu anderen Sportarten (was auch am Doping lag), ergo gab es auch viel Raum für Verbesserungen.