Podcast über Letzte Generation: Wo bleibt die Tiefe?
Der Podcast „Hitze“ versucht sich an einer Nahaufnahme der Letzten Generation. Leider kommt das teilweise voyeuristisch daher.
Es klingt schon fast sensationalistisch, wenn das Intro mit der Audio-Collage, bestehend aus Wortschnipseln von Journalist:innen, Autofahrer:innen und Politiker:innen, erklingt. Und Host Daphne Ivana Sagner ins Mikrofon spricht: „Ein halbes Jahr lang haben wir die Letzte Generation begleitet.“ Wir, das sind die Klimajournalistin Céline Weimar-Dittmar und sie. Das Ergebnis der halbjährigen Recherche ist ein Podcast von RBB und TRZ Media über sechs Episoden.
Das Cover dazu ist die Nahaufnahme eines Gesichts; ein Auge und Schweißperlen auf der Haut, ein gelber Schriftzug: Hitze, der Name des Podcasts. Mit den Klimaaktivisten der Letzten Generation bringt man das zunächst kaum in Verbindung. Keine orangefarbenen Westen, keine angeklebten Hände auf Asphalt. Denn „Hitze“ möchte näher rangehen. Ein Porträt der Gruppe bieten, das näher herantritt, als die meisten Medien das bislang getan haben. Er möchte die Menschen der Bewegung zeigen, vielleicht sogar versuchen, ihre Motive zu verstehen. Die Entscheidung, ihr Leben dem Aktivismus zu widmen, zivilen Ungehorsam auszuüben, ja sich selbst in Gefahr zu bringen, im Kampf gegen die Klimakrise.
„Genau in diesen Brennpunkt bewegen wir uns für diesen Podcast“, sagt Sagner verschwörerisch. Vielversprechend für alle, die sich mit der Klimakrise auseinandersetzen. Das Material der Recherche ist gut. Das Thema ist mehr als catchy: eine „verschworene Gemeinschaft, die in eigener Überzeugung versucht die Welt zu retten“. Alles überzeugt, den Podcast zu hören, und doch bleibt „Hitze“ am Ende leider hinter seinen Möglichkeiten zurück.
Die Episoden sind thematisch geordnet. Es beginnt etwas abrupt mit „Zuhause“. Zwei Aktivist:innen werden vorgestellt: Jakob und Solvig. Beide sind sie irgendwie „reingerutscht“ in die Letzte Generation. Beide haben sie immer mehr geopfert für den Aktivismus. Und irgendwie steckt ein sogenanntes „Strategieteam“ von sechs Leuten dahinter, die gut überzeugen können, sich ganz aufzuopfern. Ab da wirft der Podcast schon mehr Fragen auf, als er Antworten gibt. Er bleibt an der Oberfläche. Wer ist dieses Strategieteam? Davon erfährt man wenig. Aber auch bei der Porträtierung der Protagonist:innen fehlt es an Tiefe und Charakterentwicklung. Auch fehlen immer wieder Hintergrundinfos – die Forderung nach einem Lebensmittel-retten-Gesetz wird zum Beispiel gar nicht erwähnt.
Wenig Beachtung für die Klimakrise
Hört man sich „Hitze“ an, um einen tieferen Einblick in die Gruppierung zu bekommen, so erfährt man wenig Neues. Der Podcast gibt zwar einen guten Überblick über die Bewegung, stellt ein paar Aktivisten vor, was näher und direkter wirkt als viele andere Features, aber das war es auch schon. Manche:r Hörer:in wird es vielleicht ganz voyeuristisch-aufregend finden, „live“ bei einer Aktion dabei zu sein. Zum heutigen Standpunkt der Debatte – Blockaden und Aktionen wurden schon in verschiedensten Formaten gezeigt und kommentiert – kommt das zu spät.
„Hitze – Letzte Generation Close-up“, überall, wo es Podcasts gibt
Die zweite Episode dreht sich um die Pressearbeit der Letzten Generation, um die Aufmerksamkeit, die sie generiert, und die Medien, die darauf anspringen. Man vermisst dabei eine dritte, neutrale Meinung, die das Ganze aus politik- oder medienwissenschaftlicher Perspektive einordnet, Zusammenhänge erklärt. Stattdessen bekommt man viel zu lange einen O-Ton von TV-Moderator Markus Lanz zu hören, der sich darüber echauffiert, dass die Letzte Generation Kunst zerstöre. Und sich mal anpassen solle. Und dann gibt es immer wieder Daphne Ivana Sagners eigene Einordnung, oder sagen wir, Meinung. Diese bleibt zu eindimensional. Welchen Bezug hat die Erzählerin zu den Klimaaktivisten, außer dass auch sie jung ist und die Klimakrise sie betrifft? Das ist etwas wenig, um aus der Ich-Perspektive zu erzählen.
„Hitze“ ist nah dran, aber nicht nah genug. Ein guter Storytelling-Podcast zur Letzte Generation, aber ohne neue tiefgründige Erkenntnisse. Einer, der der tatsächlichen Dringlichkeit der Klimakrise letzten Endes zu wenig Beachtung schenkt.
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