Podcast über DDR-Punker Otze: Vom Punker zum Mörder
Dieter Ehrlich begründete den Ostpunk – und mordete. Der Podcast „Otze – Stasi, Punk & Mord“ erzählt seine Geschichte.
Dieter Ehrlich schleicht sich 1999 in das Schlafzimmer seines Vaters und tötet ihn mit einer Axt. Anschließend versucht er die Leiche mit einer Kettensäge zu zerlegen. Es ist der furchtbare Höhepunkt des Verfallsprozesses von Ehrlich, den viele nur als Otze kennen, als Sänger der wichtigsten DDR-Punkband Schleim-Keim. Doch wie konnte es so weit kommen? Wie konnte die Schlüsselfigur der ostdeutschen Punkszene, der sich schon mal aus einem Besenstil und einem Fahrradrad eine Gitarre baute, zu einem Mörder werden?
Das fragen sich nicht nur alte Wegbegleiter*innen, sondern auch die Moderatorin und DJ Josi Miller und der Kulturjournalist Alex Barbian in ihrem achtteiligen Podcast „Otze – Stasi, Punk, Mord“. Beide sind in der Nachwendezeit in Ostdeutschland aufgewachsen, haben sich in linken Subkulturen bewegt und natürlich auch die Musik von Schleim-Keim gehört. Otze war nach längerem Psychiatrieaufenthalt 2005 längst an einem Herzinfarkt gestorben. Sein musikalisches Erbe aber, das blieb relevant.
Der Recherchepodcast nutzt den Mord als Aufhänger, ist aber zum Glück kein voyeuristischer True Crime. Stattdessen zeichnen die beiden ein differenziertes Bild einer winzigen Punkszene, die es in der DDR eigentlich nicht geben durfte. Sie durchforsten alte Akten, sprechen mit Zeitzeug*innen und Subkulturexpert*innen und sie besuchen den alten Stasi-Knast in Erfurt. Dort wurde Otze zum ersten Mal gebrochen, arbeitete später zwischenzeitlich für den Geheimdienst als IM „Richard“. Wohl auch die Scham darüber trieb ihn in eine Spirale aus Exzess und Gewalt. Barbian und Miller zeichnen das Bild einer ambivalenten Figur. Eines getriebenen Vorreiters des deutschsprachigen Punks einerseits, eines Gewalttäters, der sich nicht unter Kontrolle hatte, andererseits. Mit dem Podcast lässt sich viel lernen über die Dynamik von Subkultur in autoritären Staaten und über das Zugrundegehen an Repression. Johann Voigt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist