Plattenladen Vopo Records: „Eigentlich ist es besser für alle“
Der legendäre Plattenladen Vopo Records im Prenzlauer Berg wurde verkauft. Aber ganz so dramatisch ist es nicht: Es bleibt ein Plattenladen.
Und wieder eine schlechte Nachricht für die Fans des gepflegten Tonträgereinkaufs – wenn auch nicht ganz so dramatisch wie zuletzt die von der Schließung des legendären Plattenladens Mr Dead and Mrs Free vor wenigen Wochen. Vossi, der mit bürgerlichem Namen Henry Voss heißt, hat seinen nicht minder legendären Laden Vopo Records in der Danziger Straße 31 in Prenzlauer Berg verkauft.
Was den Schmerz mildert: Er hat ihn an den schönen Plattenladen Dodo Beach in Schöneberg verkauft, der nach Renovierung am 21. April Vossis Geschäft als Dodo Beach East wieder eröffnen wird. Und das Beste: Vossi wird dort weiterhin verkaufen. Nur nicht mehr als sein eigener Herr, sondern als Angestellter.
„Eigentlich ist es besser für alle“, sagt der sympathische Fünfzigjährige mit den platinblond gefärbten Zottelhaaren. „Ich habe keinen Ärger mehr mit dem Papierkram, und die Kunden bekommen ein besseres Angebot.“ Durch den Abriss von Wänden soll mehr Stellfläche entstehen.
Es ist Donnerstag, der erste Tag, an dem Vopo offiziell geschlossen hat. Vossi muss anfangen, sein Zeug wegzuräumen, damit die neuen Inhaber Tabula rasa machen können. Der Laden soll nicht nur größer, sondern auch schicker werden. Es wird nur noch Vinyl verkauft, die CDs fliegen raus. Statt Vossis alten Regalen wird wohl beschichtetes MDF Einzug halten, statt Neonlicht coole Bühnenscheinwerfer.
Wahre Werte statt schnödes Geld
Und trotzdem – vielleicht aber auch gerade deshalb – ist ein wenig Wehmut zu spüren, wenn Vossi noch einmal seinen Blick über seine olle, punkige Inneneinrichtung schweifen lässt, die jedem, der hier eintritt, deutlich zu verstehen gibt, dass es hier nicht um den schnöden Mammon, sondern um wahre Werte geht. Es war 1991, als Vossi Vopo Records eröffnete, „eine ganz andere Zeit“, meint er: „Goldgräberstimmung“. Damals war er 23 und „enthusiastisch“. Er hat den Laden weiterentwickelt, ein halbes Leben lang. Trotz der Krise der Musikindustrie im digitalen Zeitalter konnte er sich halten, musste sich aber auch immer wieder Sorgen machen, wenn die Miete fällig war. „Da ließ schon manchmal die Lust auf Musik nach“, sagt Vossi, der auch noch als DJ arbeitet.
Dodo Beach ist da ein ganz anderes Projekt. Man hat die Zeichen der Zeit erkannt, lebt auch durch den eigenen Webshop und eine Konzertkasse. Und spricht Menschen an, für die Musik nicht nur Lebenselixier, sondern auch Statussymbol ist. Menschen, die sonntags das heimische Plattenregal pflegen, wie ihre Väter das Auto polierten. So wird Dodo Beach East vielleicht auch besser zur neuen Klientel passen, die heute den Prenzlauer Berg bevölkert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels