Record Store Day in Berlin: Lovely Rita

Ein eigener Platz für Partys und die Subkultur: Die Garagenrocker Chuckamuck gönnen sich einen Plattenladen.

Ein Platz für die Subkultur

Neu in der Neuköllner Nogatstraße: Daniel Grabala und Oska Wald vor ihrem Laden Rita Foto: André Wunstorf

Wer heutzutage einen Plattenladen eröffnet, braucht ein Konzept, logisch. Mehr Neuware oder Secondhand? Gepflegte Jazzecke oder lieber eine ordentliche Singlesabteilung? Da­zu vielleicht noch einen Ausschank mit veganem Latte? Für Oska Wald, der natürlich bürgerlich anders heißt, aber als Künstler ein Recht auf ein lustiges Pseudonym hat, ist das primäre Alleinstellungsmerkmal seines Plattenladens Rita klar: Die Toilette, sagt er. „Wir sind der Plattenladen, wo man auch als Kunde aufs Klo gehen kann, und das kann man sonst nirgendwo in Berlin.“ Wo er Recht hat, hat er Recht.

Gleichzeitig untertreibt er natürlich ganz schrecklich, weil die Möglichkeit, von der Plattenanhörstation direkt ins stille Örtchen wechseln zu können, sicherlich nicht das Einzige ist, was seinen Laden in Neukölln so besonders macht. Aber das mit dem Understatement scheint so eine Macke von Oska Wald zu sein. Wenn man ihn beispielsweise fragt, welche Funktion er in seiner Band Chuckamuck habe, sagt er, er sei der Gitarrist. Das stimmt. Er ist aber auch der Sänger, man könnte sogar sagen: der Frontmann. Diese Info aber kriegt man von ihm nicht aus der Nase gezogen.

Der Plattenladen mit der Option zur gepflegten Pinkelpause ist nicht nur eine Sache von Oska Wald, sondern von seiner ganzen Band. Chuckamuck, Berlins berühmte Garagenrockband, betreiben nun gemeinsam einen Plattenladen in Neukölln. Benannt wurde der nach dem Hund ihres Bassisten. Was bestimmt die interessanteste Meldung zum heute am Samstag gefeierten Record Store Day überhaupt ist.

Immer wieder Neues

Begonnen hat es mit Rita allerdings bereits Ende vergangenen Jahres, damit könnte dies also auch eine Meldung von vorgestern sein. Ist es aber nicht: Zum Record Store Day wird im Rita einfach nochmals neu, auch mit einen Konzert am Abend, eröffnet. Kann ja nicht schaden. Drei Eröffnungen gab es bereits, und es werden bestimmt noch viele folgen. Denn hier, so zeigen einem Oska Wald und Daniel Grabala, Bassist von Chuckamuck und stolzes Herrchen von Neuköllns vielleicht schon jetzt berühmtesten Hund Rita, soll noch eine Anhörstation für Kassetten hin, dort sollen irgendwann einmal Comics und andere gedruckte Kunst ausgelegt werden und so weiter.

Aber bis alles so ist, wie es sein soll, kann es noch dauern. Und bis dahin gilt eben: noch eine Eröffnungsparty und noch eine. Der Raum direkt hinter dem Laden ist einfach auch perfekt geeignet für die ganzen Partys. Ein Klavier steht hier, ein Schlagzeug und eine Gitarre: Ideal für sogenannte In-Store-Gigs, Konzerte im Plattenladen.

Es gibt immer einen guten Grund, in einen Schallplattenladen zu gehen. Um dort Leute zu treffen, um sich die hübsch gestalteten Hüllen anzugucken, mit denen dort die Musik verpackt ist. Und heute am Samstag kommt als weiterer Grund dazu, dass hier und da in den Plattenläden Konzerte und Sonderaktionen im Rahmen des Record Store Day zu erwarten sind.

Seit 2007 gibt es diesen in den April gelegten Feiertag der unabhängigen Plattenläden. Begründet wurde er in den USA, mittlerweile gilt er als weltweit größtes Musikevent. Bei Rita Records etwa gibt es am Samstag ab 19 Uhr eine Record-Release-Party mit Candice Gordon. Was an dem Tag in Berlin sonst noch passiert, findet sich auf www.recordstoredaygermany.de

Rita ist, das wird schnell klar, wenn man mit Oska Wald und Daniel Grabala ein wenig in ihrem Laden abhängt und der erste Spliff kreist, genau wie die Musik von Chuckamuck: dahingerotzt, unfertig und immer ziemlich charmant. Die Öffnungszeiten sind nicht von Montag bis Freitag, sondern, noch so eine Besonderheit, genau umgekehrt: von Freitag bis Montag.

Hinterm Tresen steht an den Wochenenden dann, wer gerade Lust hat von der Band oder aus dem erweiterten Rita-Freundeskreis, zu dem übrigens auch einer von den Beatsteaks gehört, der sicherlich auch mit jemandem wie Campino irgendwo den edelsten Punkrockplattenladen Deutschlands eröffnen könnte, aber offenbar lieber mit den Chu­cka­mucks in einem dunklen Loch in Neukölln abhängt, das nach einem Hund benannt wurde.

Das Prinzip: Selber machen

DIY lautet das große Stichwort bei Rita. Do it yourself. Jeder darf und soll sich hier einbringen. Der Plattenladen soll Berlins Subkultur abbilden und gehören. „Die Leute sollen ihre Platten mitbringen und bei uns in den Laden stellen“, so Oska Wald. Zumindest so lange diese Platten musikalisch was zu bieten haben und nicht bei einem großen Label wie Universal veröffentlicht wurden.

In den Plattenfächern finden sich dann Platten von Black Heino, Veröffentlichungen eines Labels mit dem herrlichen Namen „Verboten in Deutschland“ und ähnliche Perlen des lokalen, aber auch überregionalen Undergrounds. Und ein paar aufwendig gestaltete Sin­gles, deren Cover mit ihrem Jackson-Pollock-artigen Design bestechen. „Über jedes einzelne ist Rita extra mit seinen Pfoten gepatscht“, so Daniel Grabala. Die Künstlerin wedelt bestätigend mit dem Schwanz.

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