Planungen für Partytram M 10 in Berlin: Da rollt was auf Kreuzberg zu
Die „Partytram“ M10 wird bis Neukölln verlängert. Aber welche Route soll sie nehmen? Die naheliegendste nicht, sagt die Verkehrsverwaltung.
Diesmal will die Senatsverkehrsverwaltung wirklich nichts anbrennen lassen. Bürgerbeteiligung an Verkehrsprojekten steht zwar im grün geprägten Haus von Senatorin Regine Günther sowieso auf der Agenda. Aber die BerlinerInnen können sich gerade bei solchen Themen als bemerkenswert renitent erweisen.
Zuletzt blies den Behörden bei den „Begegnungszonen“ in Schöneberg und Kreuzberg ein scharfer Wind entgegen. Im Vorfeld der Verlängerung der Straßenbahnlinie M10 von der Warschauer Straße zum Neuköllner Hermannplatz bemüht man sich deshalb, die AnwohnerInnen ganz früh ins Boot zu holen. Das Reiseziel steht zwar schon im Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün; aber welche Route genau dorthin führt, soll mit allen möglichst umfassend und immer wieder besprochen werden.
Deshalb kann und will Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner auf der Informationsveranstaltung, zu der ihn die Neuköllner Reuterkiez-Initiative am Donnerstagabend in den Campus Rütli eingeladen hat, auch nicht sagen, welche denn die wahrscheinlichste Trassenführung für die Verlängerung der „Partytram“ ist. Auch wenn eine regelrecht ins Auge springt: in einer langen Geraden über die Oberbaumbrücke, durch die Falckensteinstraße, quer durch den Görlitzer Park und weiter bis zur Sonnenallee (siehe Karte). Ein letzter Schlenker, und der Hermannplatz wäre erreicht.
Aber: „Das ist nicht die Trasse, die kommt, höchstens eine, die sich aufdrängt“, beschwichtigt Kirchner die Anwesenden. Er versichert, dass das Genehmigungsrecht die Verwaltung verpflichte, „Tausende Varianten und Untervarianten“ zu prüfen.
Das mag überspitzt sein, aber in der Tat gibt es viele denkbare Routen: nicht zuletzt die historische, über die die elektrischen Bahnen von den 1910er Jahren bis nach dem Zweiten Weltkrieg rollten. Sie machten einen großen Bogen um den damaligen Görlitzer Bahnhof, fuhren über die Wiener zur Ohlauer Straße und dann durch die Friedel- bis zur Weserstraße. Aber auch ein weiter Umweg über Alt-Treptow ist grundsätzlich denkbar, zumal es mit der Oberbaumbrücke laut Kirchner bauliche Probleme gibt.
Die anstehenden Konflikte liegen auf der Hand: Im verkehrsberuhigten Wrangelkiez würden viele dankend auf eine neue Lärm- und Gefahrenquelle verzichten, und besonders die Querung des Görlitzer Parks riecht nach Ärger. Dabei, betont der Staatssekretär schon mal prophylaktisch, gebe es mit der U4 in Schöneberg schon seit hundert Jahren eine Bahn, die ebenerdig durch einen Park führe. Heute stehe dieser Bahnhof sogar als „architektonisches Kleinod“ unter Denkmalschutz.
Offenbar sind auch schon Ängste laut geworden, die Tram könne die Gentrifizierung des Nordneuköllner Kiezes weiter befeuern. (Kirchner: „Ich meine, nein.“) Auf der Veranstaltung sind die Bedenken aber eher allgemeiner Natur. („Wozu brauche ich die Tram? Ich fahre mit der U-Bahn!“)
Die eigentliche Bürgerbeteiligung beginnt im Herbst. Bis dahin soll ein von der Verwaltung beauftragtes Planungsbüro ein Bündel möglicher Trassen vorlegen. Von der ersten offiziellen Bürgerversammlung bis zur Planfeststellung dürften laut Kirchner noch rund sechs Jahre ins Land gehen: „Keine Sorge, ’n Quickie wird det nich.“
Jens-Holger Kirchner, Staatssekretär
Wolfram Däumel ist einer der rund 150 TeilnehmerInnen an der Infoveranstaltung und freut sich, dass es endlich losgeht mit der Tram zum Hermannplatz: „Ich habe schon 1993 im Rahmen der Fahrgastinitiative Berlin ein Flugblatt gemacht, um für die Straßenbahn zu werben.“ Auch Jan-Michael Ihl, Sprecher des Netzwerks Fahrradfreundliches Neukölln, begrüßt die Verlängerung: „Für uns als Radfahrer ist das eine Stärkung des Umweltverbunds, als Neuköllner freuen wir uns über den Lückenschluss.“ Nicht zuletzt wäre es eine Chance für die Radinfrastruktur: „Wenn da schon mal eine Menge Beton bewegt wird, kann die auch gleich mit erneuert werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!