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Plan für deutsche EU-PräsidentschaftBerlin will Mercosur durchdrücken

Exklusiv: Unter deutscher Führung soll die EU auch über ein neues TTIP-Abkommen mit den USA verhandeln. Das dürfte auf Widerstand stoßen.

Könnten bald wieder zu tun bekommen: TTIP-GegnerInnen, hier 2016 in Brüssel Foto: Stephanie Lecocq/dpa

Die EU soll das umstrittene Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten trotz eines Vetos aus Österreich weiter verfolgen und abschließen. Außerdem soll die EU-Kommission eine weitreichende Handelsliberalisierung mit den USA aushandeln. Dies geht aus einem Entwurf für den deutschen EU-Vorsitz hervor, der der taz vorliegt.

Die deutsche Ratspräsidentschaft beginnt am 1. Juli und dauert ein halbes Jahr. Die Außen- und Handelspolitik gehört dabei zu den Schwerpunkten der Bundesregierung, wie aus dem Entwurf hervorgeht. „Innovativ, gerecht und nachhaltig – mehr Europa in der Welt“ lautet die Devise, die noch vor Beginn der Coronakrise ausgegeben wurde.

Die USA werden in dem Entwurf weiter als „engster außen- und sicherheitspolitischer Partner außerhalb der EU“ bezeichnet. Die Bundesregierung spricht sich für die „Wiederaufnahme eines breiten Hochrangigen politischen Dialogs (…) und die Weiterentwicklung und Umsetzung einer positiven transatlantischen Handelsagenda“ aus.

Dies geht weit über die aktuellen Pläne hinaus. Die EU-Kommission verhandelt mit Washington derzeit vor allem über gemeinsame Industriestandards, um US-Strafzölle auf deutsche Autoexporte zu verhindern. Berlin scheint jedoch eine Art „TTIP light“ anzustreben – also eine umfassende Liberalisierung zugunsten der Exportindustrie.

Veto aus Österreich wird ignoriert

Noch überraschender ist die Passage zu Mexiko und Mercosur. „Wir verfolgen (…) das Ziel für die EU, das modernisierte Globalabkommen mit Mexiko zu unterzeichnen (und) die Einigung mit dem Mercosur weiter zu finalisieren“, heißt es in dem Entwurf. Dabei geht die Bundesregierung offenbar über das Veto aus Österreich hinweg.

Der Bundesrat in Wien hatte Mitte März beschlossen, dass jeder Vertreter Österreichs gegen jede Form des Abkommens stimmen muss. Damit sei der Mercosur-Deal tot, hieß es in Brüssel. Denn damit er in Kraft tritt, muss er von allen 27 EU-Staaten und vermutlich auch diversen Regionalparlamenten ratifiziert werden. Massive Vorbehalte gegen das Mercosur-Abkommen gibt es auch in Frankreich und Irland.

Sorge um Klimaschutz und Lebensmittelsicherheit

Dass Berlin trotzdem daran festhalten will, sorgt für Verwunderung im Europaparlament. „Obwohl sich mehrere Mitgliedstaaten gegen das Mercosur-Abkommen ausgesprochen haben und die Kritik im Europaparlament immens ist, will die Bundesregierung noch dieses Jahr eine Abstimmung zu dem umstrittenen Abkommen herbeiführen“, sagte die deutsche EU-Abgeordnete Anna Cavazzini der taz. Ohne „massiven Druck auf die Kritiker“ oder eine Nachverhandlung werde dies nicht gehen, so die Grünen-Politikerin.

Kritiker werfen den Mercosur-Staaten – allen voran Brasilien – vor, das Pariser Klimaabkommen zu brechen und die Umwelt zu gefährden. In Österreich und Frankreich fürchtet man auch um die Lebensmittelsicherheit.

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10 Kommentare

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  • "...wenn die Landwirtschaft in Deutschland quasi unmöglich gemacht wird..."

    Ach?

    Sie leben in einer seltsamen Welt.

    • @tomás zerolo:

      Sorry. Die Landwirtschaft, die Menschen ernährt und nicht Biogas und Futtermittel produziert. Verdammte Haarspalterei. Du lebst in einer Traumwelt.

      • @Le Kralle:

        Quatsch.

        Ich kaufe meine Lebensmittel vorwiegend von Bio-Landwirtschaft. Wenn ich kann, von kleinen Höfen.

        So tue ich das meine, dass die ProduzentInnen von ihrer Arbeit leben können.

        Die Kartoffeln sind teuer? Ja. Ich kompensiere es mit weniger Fleisch, was ohnehin gut für die Umwelt ist.

        Der Fehler war immer, "mehr Quantität, weniger Qualität".

        Wissen Sie was? Ende der Achtziger habe ich bei der Weinernte am Kaiserstuhl mitgeholfen. Die Bauernfamilie hat mir von der Flurbereinigung erzählt, die dort die Erträge pro Hektar ungefähr verdoppelt habe. Bei Halbierung der Preise.

        Jetzt können Sie sich ausrechnen, ob sich die Nummer für die Bauern gelohnt hat.

        Ich helfe Ihnen: doppelte Menge, halber Preis -> gleichbleibender Umsatz. Mehrausgaben (doppelte Menge: entweder mehr Erntehilfe oder Investition in Maschinen).

        Den Rest lasse ich Ihnen zur Übung.

        • @tomás zerolo:

          Was hat das Eine mit dem Anderen zu tun? Ich erkläre es ihnen gerne. Die Degradierung von Brotweizen zu Futtermittel hat definitiv überhaupt nichts mit den Problemen der Winzer zu tun. Da müssen sie schon jede Sparte für sich betrachten. Im Obstbau ist eine Flurbereinigung kaum möglich.

  • Na super. Gerade jetzt, wo wir nicht demonstrieren dürfen. Wir müssen uns dringend neue Aktionsformen ausdenken.

    Das Einzige, was mir einfällt, wäre, Telefondrähte heißlaufen zu lassen. Fragt sich nur, ob die entsprechenden Ansprechpartner sich alle ins Homeoffice zurückgezogen haben und dort für Bürger*innen nicht erreichbar sind.

  • Sorry, aber irgendwoher müssen die Lebensmittel ja kommen, wenn die Landwirtschaft in Deutschland quasi unmöglich gemacht wird. Die Mühlen, die hier aus Brotweizen Mehl herstellen, gehen schon jetzt davon aus, in Zukunft wesentlich mehr aus Kanada und den USA zu importieren. Im Falle von Rindfleisch wird es dann Argentinien und Brasilien sein. Ulkigerweise kann man für diese Länder gar keine Nitratwerte im Grundwasser nachlesen. Die haben wahrscheinlich kein Nitrat. Feedlots sind sicher auch artgerechter.

    • @Le Kralle:

      Noch als keiner Nachtrag: wenn die Freunde im mittleren Westen ihr steinzeitliches Riesenwasserreservoir in ~70 Jahren dann endlich leer gesaugt haben, dann liefern die übrigens ab dann genau Null Tonnen irgedendwohin.

  • Kein Deal mit Donald



    Keine Minderwertige Standards



    Keine nicht staatlichen Schiedsgerichte

  • unfassbar...sorry Berlin, dafür seit ihr nicht gewählt worden!

  • Kein Deal mit Bolso.