Pläne der EU-Kommission: Protest gegen Chat-Überwachung
Die EU-Kommission will, dass Messenger-Dienste wie Whatsapp Nachrichten scannen. Bürgerrechtler:innen protestieren, Minister Wissing ist besorgt.
Das Vorhaben der EU-Kommission: Anbieter von Messenger-Diensten wie Whatsapp, Signal oder Threema sollen zum Durchleuchten von Kommunikation auf Inhalte, die mutmaßliche Darstellungen von sexualisierter Gewalt an Kindern enthalten, verpflichtet werden können. Die Pläne sind aus zahlreichen Gründen umstritten. So müssten die Anbieter, um ihrer Verpflichtung nachzukommen, entweder ihre Verschlüsselung brechen, damit sie die eigentlich Ende-zu-Ende-verschlüsselte Kommunikation scannen können. Oder die Anbieter durchsuchen die Inhalte vor dem Versand direkt auf den Endgeräten der Nutzer:innen.
Beides würde die Vertraulichkeit der Kommunikation untergraben und beide Ansätze wären auch zweckentfremdbar – etwa um nach politisch unliebsamen Inhalten zu suchen. Tom Jennissen vom Verein Digitale Gesellschaft wagt einen Vergleich: Wenn Post- und Telefonanbieter die gesamte Kommunikation überprüfen und gegebenenfalls an die Sicherheitsbehörden weiterleiten müssten, so Jennissen, wäre die Empörung zu Recht riesig.
Darüber hinaus kritisieren Expert:innen, dass die Technologie fehleranfällig sei: „Niemand will einen besseren Schutz von Kindern verhindern“, sagt Felix Reda von der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Die Pläne seien aber nicht geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Unter anderem sei die Filterpflicht nicht auf bereits bekannte Missbrauchsdarstellungen beschränkt. „Es wird unweigerlich zu zahlreichen Falschmeldungen kommen“, sagt Reda.
Der Europaabgeordnete Patrick Breyer wies im taz-Interview darauf hin, dass die einschlägigen Kriminellen für das Weiterverbreiten der Darstellungen nicht auf Messengerdienste zurückgriffen, sondern andere Verbreitungswege nutzten. Breyer fordert daher unter anderem mehr Personal etwa für verdeckte Ermittlungen und für Prävention.
Kritische Töne kamen diese Woche auch von Digitalminister Volker Wissing (FDP): „Allgemeine Chatkontrollen sind nicht hinnehmbar“, erklärte er am Dienstag. „Einige der Vorschläge der Kommission beunruhigen mich, weil sie einen Eingriff in den geschützten Raum der Vertraulichkeit der Kommunikation darstellen könnten.“
SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag ein Recht auf Verschlüsselung vereinbart. Die Pläne der EU-Kommission wären mit so einem Recht kaum vereinbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind