Plädoyers im Prozess zum Lübcke-Mord: „Mahnung gegen Hass“
In dem Prozess zum Mord an Walter Lübcke hält die Bundesanwaltschaft ihr Plädoyer. Stephan E. sei alleiniger Mörder des CDU-Politikers.
Die Worte fallen am Dienstag, im Plädoyer der Bundesanwaltschaft im Prozess zum Mord an Lübcke vor dem Frankfurter Oberlandesgericht. Als Mordmotiv benennt Killmer Hass und Rassismus. Mit Lübckes Ermordung sei zum ersten Mal in einem demokratischen Deutschland seit dem Attentat auf den Außenminister Walther Rathenau ein Politiker Opfer einer rechtsextremen Gewalttat geworden. Die Tat sei eine „Mahnung gegen Hass statt Respekt, gegen Geschrei statt Diskurs“.
Die Bundesanwaltschaft macht Stephan E. zudem für einen Anschlag auf den irakischen Geflüchteten Ahmed I. verantwortlich. Hinterrücks habe E. bei einer zufälligen Begegnung im Januar 2016 in der Nähe einer Asylunterkunft mit einem Messer auf den jungen Mann eingestochen. Einen Mann, der hier Schutz und eine Chance gesucht habe, so Killmer.
Der Oberstaatsanwalt fordert lebenslange Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung für Stephan E. Es liege eine besondere Schwere der Schuld vor. Der Mitangeklagten Markus H., ein früherer Freund von E., soll wegen Beihilfe zum Mord für neun Jahre und acht Monate ins Gefängnis. Killmer beantragt auch, dessen Haftbefehl wieder in Kraft zu setzen.
„Tief verwurzelter Rassismus“
Dass Stephan E. der Mörder von Lübcke ist, daran gibt es für Killmer keinen Zweifel. Er verweist auf die DNA-Spuren am Hemd des Tatopfers. Und auf die Geständnisse, mit denen E. sich allerdings in vier unterschiedlichen Versionen zur Tat eingelassen habe. Das erste davon, nach seiner Festnahme im Juni 2019, nennt Killmer „mehrheitlich glaubhaft“.
Demnach war die Ermordung des Regierungspräsidenten lange geplant. Schlüsselerlebnis für die Wut und den Hass auf Lübcke sei eine Veranstaltung in Kassel-Lohfelden im Jahr 2015 gewesen, bei der der CDU-Politiker für eine Flüchtlingsunterkunft eingetreten war. Stephan E. und Markus H. waren dabei anwesend. Auf der Videosequenz, die H. damals in einer verkürzten Version ins Internet stellte, ist E.s spontane Empörung zu hören.
Für Killmer hat Stephan E. seinen Fremdenhass auf Lübcke projiziert. Mit fortschreitender Radikalisierung habe er den Mordplan geschmiedet, den Tatort ausgekundschaftet und schießen geübt. „Wegen eines aus dem Zusammenhang gerissenen Halbsatzes musste Walter Lübcke sterben.“
Aus denselben Motiven habe E. auch den jungen Iraker Ahmed I. mit einem auf beiden Seiten der Spitze angeschärften Messer in den Rücken gestochen und ihn so schwer verletzt, dass er noch heute in therapeutischer und ärztlicher Behandlung sei. Doch was die Bundesanwaltschaft und der Anwalt von Ahmed I. als Mordversuch einstufen, wird in diesem Prozess wohl nicht zu einer Verurteilung führen. In mehreren Beschlüssen hat der Senat erkennen lassen, dass er die DNA-Spuren an der möglichen, bei E. gefundenen Tatwaffe nicht für ausreichend beweiskräftig hält.
Auch der Mitangeklagte Markus H. wird möglicherweise nicht für all das verurteilt, was ihm die Anklage ursprünglich vorwarf. Den Vorwurf der Mittäterschaft an Lübckes Ermordung hat die Anklage jedenfalls fallen gelassen. Nach zwei der vier von E. vorgetragenen Tatversionen war H. am Tatort, zwischenzeitlich sollte er sogar den Todesschuss abgegeben haben.
Doch für H.s Anwesenheit am Tatort gibt es keinen Beweis. Zwischen Stephan E. und ihm habe es aber ein stillschweigendes Einvernehmen gegeben, gegen Lübcke vorzugehen, betont Killmer. Markus H. habe E. „Zuspruch und Sicherheit“ gegeben und schließlich auch Zugang zu Waffen verschafft. Deshalb sei er wegen Beihilfe zum Mord zu bestrafen.
Dass die beiden Angeklagten mit ihren Taten ihrem „tief verwurzelten Rassismus und Fremdenhass“ folgten, daran lässt der Ankläger keinen Zweifel. Beide Männer seien dem am Ende des Naziregimes von Heinrich Himmler ausgerufenen „führerlosen Widerstand“ gefolgt – in der Wahnvorstellung von einer Ausrottung der Deutschen und einer bevorstehenden bewaffneten Auseinandersetzung. „Gehandelt haben sie weitgehend alleine“, stellte Killmer fest. Es gebe aber ein Unterstützungsumfeld, „on- und offline“. Der Bundesanwalt räumt nach seinem Schlussplädoyer ein: „Es bleiben dunkle Flecken.“
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