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Pistorius und Schulze in MaliEntwicklung schaffen ohne Waffen

Deutschland zieht die Bundeswehr aus Mali ab, obwohl kein Frieden herrscht. Die Entwicklungszusammenarbeit soll bleiben. Kann das klappen?

Bald sind sie weg: Bundeswehr in Mali, hier mit Verteidigungsminister Boris Pistorius, April 2023 Foto: Michael Kappeler/dpa

Gao taz | Mit hartem Ruck landet der Truppentransporter A400M auf der Piste und bremst voll ab. Sechs Soldaten mit Schutzwesten und Gewehren springen auf und sichern das Gelände. Aus dem Militärflugzeug steigen ein Mann im olivgrünen Hemd und eine Frau im blauen Blazer in Malis roten Staub: Boris Pistorius und Svenja Schulze.

Der Verteidigungsminister ist auf Antrittsbesuch, Entwicklungsministerin Schulze war schon häufiger hier, ist aber das erste Mal auf einem Militärstützpunkt. Sie besuchen die Bundeswehr in Gao. Die gemeinsame Reise soll signalisieren: Die Bundeswehr zieht aus Mali ab, doch über Entwicklungsprojekte bleibt Deutschland vor Ort.

Deutschland seit 2013 bei UN-Mission dabei

Seit 2013 beteiligt sich Deutschland an der UN-Mission Minusma. Zurzeit sind rund 1.100 deutsche Sol­da­t:in­nen in Gao stationiert, in einem weitläufigen Camp, das sich selbst versorgt, vom Frischwasser bis zur Wäscherei. Der Auftrag: Frieden sichern und für Stabilität in der Region sorgen. So die Theo­rie. In der Praxis hat sich die Situation in Mali kontinuierlich verschlechtert. Die gewählte Regierung wurde weggeputscht, islamistische Gruppen sind auf dem Vormarsch und die Militärregierung setzt auf russische Wagner-Söldner.

Herzstück des deutschen Einsatzes ist die Heron-Aufklärungsdrohne, die die UN-Truppen mit Daten versorgen soll. Seit Dezember fliegt sie nicht mehr. Malis Regierung erteilt keine Startgenehmigung. Im Mai soll der Bundestag das Mandat für den Mali-Einsatz noch einmal verlängern – mit der Auflage: Im Mai 2024 ist Schluss.

Für die junge Oberleutnantin, die in Gao vor dem weißen Stab wartet – so heißt der Containerbau, der als Einsatzzentrale dient –, hat der Einsatz gerade begonnen. Seit 15 Tagen ist sie hier als Mitglied der Aufklärungskompanie. Sie bereitet Aufklärungstouren ins Gelände vor, führt einen Gefechtsstand und soll Kontakt zu den Soldaten auf Erkundung halten. „Die Lage ist angespannt“, sagt die Majorin neben ihr. Die junge Frau nickt.

Raus dürfen die Sol­da­t:in­nen nur unter strengen Sicherheitsauflagen, das gilt erst recht für die Delegation aus Deutschland. Also hat das Entwicklungsministerium die – weibliche – Zivilbevölkerung ins Camp geladen. Acht Frauen und ein Mann sind gekommen.

Feministische Außenpolitik weniger weltfern als gedacht

Die Frauen führen landwirtschaftliche Kooperativen und Vereine, sie berichten von Unsicherheit durch Banden, die Vieh stehlen, von Nahrungsmittelknappheit, fehlenden Rechten für Frauen, die das Land zwar bearbeiten, aber nicht erben dürfen. „Wir Frauen sind der Motor der Entwicklung, aber wir brauchen Unterstützung dafür“, sagt Koumba Maige, Waisenhausgründerin und Vorsitzende der Plattform „Weibliche Führungskräfte in Gao“. Deutschlands Entwicklungshilfe sei großartig und müsse fortgesetzt werden – das ist die Botschaft der Frauen. Die Bundeswehr erwähnen sie nicht.

Wer ihnen zuhört, bekommt eine Ahnung, dass feministische Entwicklungspolitik vielleicht gar nicht so weltfern ist. Pistorius gesellt sich dazu und scheint beeindruckt zu sein. „Svenja und ich sind überzeugt, dass Sicherheit und Entwicklung zwei Seiten einer Medaille sind“, sagt der Verteidigungsminister: Ohne Sicherheit keine Entwicklung, ohne Entwicklung keine Sicherheit. Die Frauen nicken.

Im Juni geht es los. Etwa ein Jahr dauert es, die Stadt in der Wüste abzubauen, zu verpacken und auszufliegen

Doch der deutsche Entwicklungsetat wird im nächsten Jahr kaum wachsen und nach Mali dürften weniger Gelder fließen. „Wir müssen realistisch sein. Mit dem Abzug der Bundeswehr wird die Situation für die Entwicklungsmitarbeiter in Mali wohl gefährlicher“, meint die mitgereiste Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP).

Bundeswehrabzug beginnt im Juni

Die Vorbereitungen für den Abzug haben schon begonnen. Im Juni geht es los. Etwa ein Jahr wird es dauern, die Stadt in der Wüste abzubauen, zu verpacken und auszufliegen, von der Drohne bis zum letzten Fahrrad: 1.600 Container, per Hubschrauber. Dass malische Soldaten oder gar Wagner-Söldner in gepanzerten Fahrzeugen mit deutscher Flagge durch die Wüste brausen, will man nicht riskieren.

Eine Dreiviertelflugstunde entfernt, am Flughafen der Hauptstadt des Nachbarlandes Niger, wird hinter Sandsäcken und Stacheldraht schon eine neue Abfertigungshalle hochgezogen. Der Transportstützpunkt in Niamey wird das Drehkreuz für den Abzug aus Mali. In Niger will die Bundeswehr weiter Präsenz zeigen, mit der neuen EU-Ausbildungsmission EUMPM.

Deutschland ist optimistisch: In Niger wird es besser laufen als in Mali. „Man will uns hier ausdrücklich“, sagt Pistorius. Schulze ergänzt: „Unsere Hilfe hier ist sehr akzeptiert.“

Doch zunächst muss der Abzug aus Mali klappen. Bloß nicht noch mal afghanische Verhältnisse, heißt es aus der Bundesregierung. Danach sieht es derzeit nicht aus. Doch das kann sich schnell ändern.

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