piwik no script img

Petitionsplattform innn.itHaltung statt Gemeinnützigkeit

Als Reaktion auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs verzichtet die Petitionsplattform innn.it auf ihre Steuerbegünstigung.

Demonstrierende am 11. Juni in Bremerhaven. Die innnt.it-Petition für ein AfD-Verbot wurde über 1,1 Millionen Mal unterzeichnet Foto: Sina Schuldt/dpa

Freiburg taz | Nach fünfjährigem Rechtsstreit gibt die Plattform innn.it entnervt auf und verzichtet auf die Gemeinnützigkeit. Sie reagiert damit auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom Dezember, das von ihr Neutralität einforderte. Innn.it will aber lieber Haltung zeigen, als neutral zu sein.

„Petitionen mit Wirkung“ verspricht die Plattform innn.it. Erfolgversprechende Petitionen werden von einem Team um Gründer und Vorstand Gregor Hackmack betreut und in Kampagnen umgesetzt. Auch direkt-demokratische Bürgerbegehren sollen daraus entstehen. Bis 2022 gehörte innn.it zum globalen Netzwerk change.org, seitdem ist man selbständig.

Im Jahr 2023 wurden 246 Petitionen unterstützt, am bekanntesten ist die Petition „Prüft ein AfD-Verbot“, die über 1,1 Millionen Mal unterzeichnet wurde. Doch schon seit 2021 gibt es Streit um die Gemeinnützigkeit der Plattform. Weil sie auch Petitionen gegen private Unternehmen unterstützte, sah das Finanzamt Berlin den Gemeinnützigkeitszweck „Förderung des demokratischen Staatswesens“ nicht mehr erfüllt.

Dagegen klagte der Petitionsverein und hatte beim Finanzgericht Cottbus im November 2023 zunächst auch Erfolg. Die Plattform fördere „demokratische Teilhabe“, so die Richter:innen. Der Begriff des „demokratischen Staatswesens“ dürfe nicht zu eng ausgelegt werden.

Zu früh gefreut – Revision erfolgreich

Allerdings ging das Finanzamt mit Erfolg in Revision. Der Bundesfinanzhof (BFH) in München, das höchste deutsche Finanzgericht, hob im Dezember das Cottbusser Urteil auf und verlangte eine neue Entscheidung der ersten Instanz. Die Begründung hierfür wurde erst im Mai nachgereicht. (Az.: VR 28/23)

So will der BFH Petitionen zu nicht-staatlichen Sachverhalten nur akzeptieren, wenn sie auch Gegenstand einer parlamentarischen Befassung sein könnten. Damit hätte innn.it wohl leben können, auch wenn Boykottaufrufe gegen private Unternehmen dann nicht mehr möglich gewesen wären.

Viel problematischer findet Gregor Hackmack jedoch, dass der BFH von innn.it auch strenge Neutralität verlangt. Praktisch würde dies bedeuten, dass auf innn.it nicht nur Unterschriften für ein AfD-Verbot gesammelt werden könnten, sondern auch dagegen. Diese vom BFH verlangte „geistige Offenheit“ ging innn.it aber zu weit.

Vor wenigen Tagen beschloss die innn.it-Mitgliederversammlung, dass man den Rechtsstreit nicht fortführen wird und auf die Gemeinnützigkeit verzichtet. Mit den BFH-Vorgaben zur Neutralität könne man eine „Petitionsplattform mit Haltung“ nicht gemeinnützig betreiben.

„Das BFH-Urteil ist ein Rückschritt für die Zivilgesellschaft“, sagt innn.it-Vorstand Hackmack. Stephanie Handtmann von der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ sieht im BFH-Urteil einen Appell an den Gesetzgeber, das Gemeinnützigkeitsrecht zu reformieren.

Auf Linie eines Attac-Urteils

Das aktuelle Urteil des BFH liegt auf der Linie seines Attac-Urteils von 2019. Schon damals entschied der BFH, dass die „Förderung des demokratischen Staatswesens“ nicht den Einsatz für „Einzelinteressen“ erlaube, weshalb die Ka­pi­ta­lis­mus­skep­ti­ke­r:in­nen von Attac ihre Gemeinnützigkeit verloren.

Mit der aktuellen CDU/CSU-geführten Bundesregierung dürfte sich wenig an den Neutralitätsanforderungen ändern. Schließlich hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion erst im Januar (damals noch in der Opposition) 551 Fragen gestellt, ob staatlich geförderte und gemeinnützige NGOs ausreichend neutral agieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Dass innn.it auf Steuervorteile verzichtet, bedeutet nicht, dass ihre Arbeit nicht mehr gemeinnützig ist. Es bedeutet nur, dass es kein Steuerprivileg mehr gibt für die Plattform. Und anders als vom Gericht suggeriert, ist nicht automatisch gemeinnützig, wer von stattlichen Steuerbehörden privilegiert wird.

    Im Grunde ist es unmöglich neutral zu sein in einem Staat, der nicht nur auf permanentem Wachstum basiert (das in einer endlichen Welt unweigerlich auf Kosten des Planeten geht), sondern dessen Wirtschaft auch auf Ausbeutung und Ungleichheit beruht. Wenn schon nicht hier, dann doch anderswo. Wo es Konflikte gibt, die der Staat nicht löst, kommen denkende Menschen nicht umhin, Stellung zu nehmen für die eine oder die andere Seite. Und nach allem, was ich über Demokratien weiß, ist das auch nötig für den Fortbestand des Staates. Denn wo keine Debatten, da keine Konfliktlösung.

    Dass ein deutsches Gericht diese einfache Lehre aus der Geschichte ignoriert, gibt mir zu denken. Vielleicht fällt es den Richter:innen ja auch schwer, neutral zu sein. In ihrem Amt sind sie an die Gesetze gebunden. Das ist das Gegenteil eines Privilegs - und evtl. Ursache von Frust, der ein Ventil sucht.

  • Eigentlich gibt es doch schon offene Petitionspräsenzen bei den Bundes- und Landesparlamenten. Ich frage mich da wirklich was diese immer weiter entstehenden Petitionsplattformen bringen sollen außer dass wir uns verzetteln?



    Kann es mir jemand erläutern?

  • Man muss sich ja immer die Gegenfrage stellen. Kann eine Petitionsplattform gemeinnützig sein, wenn sie sich nur auf rechte oder AfD-nahe Haltungen stützt?

    • @Magnus_15:

      Mir fällt nicht viel AfD nahes ein dass nicht auch strafrechtsnah wäre, und es wäre ziemlich viel verlangt jede Eingabe darauf hin zu überprüfen. FDP und CDU nah sollte aber schon drin sein.

  • Ja klar. Was soll auch schon daran gemeinnützig sein, BürgerInnen darin zu unterstützen, ihre demokratischen Grundrechte wahrzunehmen. Sowas ist das erste, was in autoritären Staaten abgeschafft wird. Petitionen sind ja so lästig. Gerichtsurteile, die nicht so ausfallen, wie man sie braucht, sind ja so lästig (->Dobrinth). Die Richtung ist klar, in die Deutschland geht.

  • Weshalb sollte eine Initiative, sie sich nicht an die Neutralität hält, staatlich gefördert werden? Aktivismus ist Privatangelegenheit.

    Damit wird die Berechtigung der Parlamentarischen Anfrage der CDU Anfang des Jahres weiter bestätigt.

    • @DiMa:

      Die Unterstützung der Bürger*innen bei der politischen Meinungsbidlung ist nun weiß Gott keine Privatangelegenheit.

      • @Django:

        Na ganz selbstverständlich ist das eine Privatangelegenheit. Ich darf eine Meinung haben und kund tun, darf die Meinung anderer jedoch genau so gut ignorieren.

        Jedenfalls ist die "Unterstützung der Bürger*innen (durch andere Bürger*innen) bei der politischen Meinungsbidlung" keine staatliche Angelegenheit.

        Anderes gilt nur für Parteien. Und für diese gibt es eigenständige Regeln.

  • Es steht dem Gesetzgeber frei, das Steuerrecht so anzupassen, dass die Spenden wieder abzugsfähig sind. Bei den gegenwärtigen Mehrheitsverhälnissen, rechne ich allerdings eher mit dem Gegenteil.



    Vor allem Union und AfD scheint ja daran gelegen, zivilgesellschaftliches Engagement zurückzudrängen.

    • @Flix:

      Es steht dem Gesetzgeber frei, alles mögliche zu ändern. Im Rahmen des Grundgesetzes. Wenn man allerdings Steuerbefreiungen sehr zielgenau auf seine Kumpels platziert, hat es was von Willkür.



      Eine Plattform, die BürgerInnen dabei hilft, ihre demokratischen Grundrechte wahrzunehmen, ist nicht gemeinnützig, aber irgendwelche Rüstungslobby-Vereine schon? Das hat nichts mit Rechtsstaat und Demokratie zu tun, das ist Autokratie und Willkür. Und ich meine, im Grundgesetz gelesen zu haben, dass es sowas wie Gleichbehandlung geben muss.